Kommentar EZB-Zinspolitik: Spektakuläre Kehrtwende
Dass die Europäische Zentralbank den Leitzins vorerst doch nicht anhebt, ist ein alarmierendes Signal: Europas Wirtschaft schrumpft.
W enigstens auf die Europäische Zentralbank ist Verlass: Sie hat beschlossen, ihre Zinsen vorerst bei Null zu lassen. Diese Entscheidung war zwingend, denn Europa ist auf dem Weg in eine Rezession. Die EZB rechnet in diesem Jahr nur noch mit einem Wachstum von 1,1 statt wie bisher 1,7 Prozent.
Selbst diese Prognose dürfte geschönt sein, denn die deutsche Wirtschaft schrumpft bereits seit einem halben Jahr, wie die Ökonomin Friederike Spiecker kürzlich berechnet hat. Auch die Bundesbank ist offenbar panisch, denn die EZB-Entscheidung wurde einstimmig getroffen. Das ist ein Signal, denn in der Vergangenheit ist die Bundesbank oft ausgeschert und hat die Niedrigzinspolitik kritisiert.
Eine Rezession in Deutschland ist eine schlechte Nachricht für ganz Europa, denn bisher war die Bundesrepublik eine wichtige Konjunkturstütze: In den vergangenen neun Jahren ist die deutsche Wirtschaft deutlich gewachsen, während andere Euroländer in der Krise verharrten. Zudem macht Deutschland knapp 30 Prozent der Wirtschaftsleistung in der Eurozone aus.
Die EZB hat aber nicht nur die Zinsen gesenkt – sie hat damit eine spektakuläre Kehrtwende hingelegt. Immer wieder hatte sie verkündet, dass sie ab Sommer 2019 die Zinsen langsam erhöhen würde. Der plötzliche Abschied von dieser lang geplanten Strategie zeigt, wie alarmiert die EZB-Spitze ist.
Der starre Blick aufs Konto führt in die Irre
Am 8. März veröffentlichen wir auf taz.de nur Beiträge von Frauen* und nicht-binären Menschen, und auch nur diese kommen darin vor: als Expert*innen, als Protagonist*innen, auf den Fotos. Trotzdem beschäftigen wir uns nicht primär mit dem, was im allgemeinen Sprachgebrauch gern als „Frauenthemen“ bezeichnet wird – sondern mit dem Tagesgeschehen.
Viele Sparer*innen dürften jetzt wütend sein, dass sie weiterhin keine Zinsen erhalten. Doch dieser starre Blick aufs Konto führt in die Irre: Steigende Zinsen bedeuten mehr Arbeitslose, weil Investitionen teurer würden. Es ist besser, seine Stelle zu behalten, als ein paar Euro bei der Bank zu kassieren.
Allerdings wird es nicht mehr reichen, allein Geldpolitik zu betreiben und die Zinsen bei Null zu halten. Investitionen werden ja nicht getätigt, nur weil Kredite billig sind. Entscheidend ist die Nachfrage – sie kann nur der Staat ankurbeln, wenn Krise herrscht. Die Bundesregierung muss sich endlich von ihrem Fetisch namens „Schwarze Null“ verabschieden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los