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Kommentar EZB-KlageVon der Wirklichkeit überholt

Bernd Lucke und CSU-Grantler Peter Gauweiler sind mit ihrer EZB-Klage vor Gericht gescheitert. Die Zentralbank hat Kanzlerin Merkel den Arsch gerettet.

Merkels beste Helferin: die Europäische Zentralbank Foto: dpa

Es ist immer schön, AfD-Gründer Bernd Lucke oder CSU-Grantler Peter Gauweiler vor Gericht scheitern zu sehen. Das Bundesverfassungsgericht hat ihre Eilanträge abgeschmettert, mit denen die Herren einmal mehr die Europäische Zentralbank (EZB) entmachten wollten. Allerdings ist das Diskussion darüber, ob die EZB Staatsanleihen aufkaufen darf, damit nicht erledigt. Die Bundesverfassungsrichter wollen nur ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs abwarten. Fortsetzung ist also garantiert.

Zur Ironie dieser Dauerklagerei gehört, dass die Wirklichkeit schneller sein dürfte als die Gerichtsverfahren. EZB-Chef Mario Draghi hat bereits im September angedeutet, dass die Zen­tralbank 2018 die Aufkäufe der Staatsanleihen einstellen dürfte.

Ein Grund ist denkbar schlicht: Die Papiere werden knapp. Inzwischen hat die EZB Anleihen im Wert von 2,1 Bil­lionen Euro angeschafft. Damit ist der Markt langsam ausgelutscht. Die EZB hat Mühe, noch willige Verkäufer zu finden. Vor allem Versicherungen können sich gar nicht komplett von ihren Staatspapieren trennen, weil sie sicher anlegen müssen und kaum Aktien halten dürfen.

Während Lucke und Gauweiler permanent klagen, ist eine andere Frage interessant: Was passiert eigentlich, wenn die EZB keine Staatsanleihen mehr aufkauft? Momentan investiert sie noch 60 Milliarden Euro im Monat.

Mit dieser expansiven Geldpolitik wurden die Zinsen gesenkt – und damit auch der Eurokurs. Auf den ­Weltmärkten sind die europäischen Waren also billig, sodass auch die Euro-Krisenländer deutlich mehr exportieren.

Brutal formuliert: Die EZB hat Kanzlerin Merkel den Arsch gerettet. Merkel musste sich nicht mehr um die Eurokrise kümmern, weil die Geldpolitik der EZB zumindest ansatzweise funktionierte. Aber wenn die Notenbank keine Anleihen mehr aufkauft, könnte die Kanzlerin von jenem Thema eingeholt werden, das in ihrem Wahlkampf so gar keine Rolle spielte: der Eurokrise.

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7 Kommentare

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  • Toller Beitrag von SFischer....ein Abriss der letzten Jahre über Euro-Krise, EU-Krise und Entwicklung der afd...

  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Ach ist das süß ...

    Ein Blick nach Japan (wo das erste QE bereits 2001 aufgelegt wurde) zeigt, dass die ZBen gar keine andere Wahl haben, als die QE Programme weiter laufen zu lassen.

    Langfristig steigende Zinsen würden zwangsläufig dazu führen, dass sämtliche Staaten (auch westliche) in Zahlungsschwierigkeiten kommen würden.

    Japan ist das Beispiel, welchem wir folgen.

    Somit wäre das Urteil alles andere als unwichtig.

  • Naja...Merkel hat selbstverständlich grossen Einfluss auf die Personalpolitik der EZB, insofern hat sie sich eher selbst den Arsch gerettet.

  • Das Argument gegen den vorläufigen Rechtschutz ist schwach. Das BVerfG sagt, dass durch die Gewährung des vorläufigen Rechtschutz das Ergebnis vorweggenommen würde. Wenn die EZB für ein paar Monate keine Anleihen aufkauft, kann sie das später nachholen. Der Schaden ist also vergleichsweise gering. Mit dieser Entscheidung allerdings werden Fakten geschaffen, die nicht umkehrbar sind. Das BVerfG hat einfach nicht den Mut gehabt, eine einstweilige Anordnung gegen die EZB zu verkünden. Gerade da das Verfahren vor dem EuGH schon läuft, könnten andere Länder dies als Anmaßung ansehen. Was würden wir denn sagen, wenn das griechische Verfassungsgericht der EZB etwas vorschreiben würde? Nach deutschem Recht ist dies allerdings ein Fehlurteil.

    • @Velofisch:

      Sie haben Recht. Frau Herrmann hingegen erläutert durch ihren Kommentar genau die Gründe, weshalb das BVerfG hier wahrscheinlich falsch entschieden hat. Die Vorwegnahme der Hauptsache liegt ja gerade in der Nichtumkehrbarkeit des Programmes. Insoweit eine schwache Entscheidung und ein noch schacherer taz-Kommentar.

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Was passiert wenn die EZB keine Anleihen mehr kauft?

     

    Nicht viel, da passiert ja erstmal nix, die 2 Bio. € sind dann immer noch im Umlauf und wenn es keine Verkäufer mehr gibt bleibt ihr ohnehin nichts anderes übrig als die Aktion zwangsweise "einzustellen".

     

    Die Eurokrise kann übrigens gar nicht zurückkehren, man hat uns versprochen das sei nur eine kleine Turbulenz in Südeuropa die mittels ein paar Rettungsschirmen beruhigt werde.

     

    Nur ein paar Professoren glaubten das nicht, die gründeten damals sogar eine Partei. Die Partei der euroskeptischen Professoren... Joa, die sagte schon damals, dass die Eurokrise keine Krise sondern Dauerzustand sei, dafür hat man sie erst als "Europaskeptiker" und dann als "Rechtspopulisten" diffamiert. Als, dann die echten Rechtspopulisten ihre Chance sahen und die Partei enterten war der Katzenjammer groß. Es wäre jetzt irgemdwie doof, wenn die schon damals recht gehabt hätten und alle anderen daneben lagen...

     

    Btw, es ist nicht Aufgabe der EZB irgendwem "den Arsch zu retten", wer zuviel Politiker-Ärsche rettet macht an anderer Stelle Ärsche groß, die Wahlen quer über den Kontinent sprechen Bände und die Eurorettung war einer der Kristallisationspunkte der autoritären Wiederkehr...

     

    Mir wäre ein Bundesverfassungsgericht das die EZB ab und zu ausbremst lieber als Rechte die die komplette EU sprengen. Aber man kann da geteilter Meinung sein, ist ja nicht so, dass es den Brexit, usw. gab... Lasst uns also gemeinsam über die zwei Spezis lachen, sind sie nicht witzig mit ihrer ständigen Klagerei?

    • @32795 (Profil gelöscht):

      Das Problem mit dem Euro ist sehr real. Und die EZB hat im Grunde nichts getan als durch ihr "quantitative easing" Dampf aus dem Kessel zu lassen.

      Oder, im Keynes'schen Duktus: Sie hat ansatzweise "Surplus Recycling" praktiziert. Aber das Feuer brennt halt immer noch unter dem Kessel. Stabile Ökonomie geht nur mit Gerechtigkeit.

      Ich empfehle wieder einmal Yanis Varoufakis "Der globale Minotaurus", in dem er eine bemerkenswerte Analyse der gesamten Situation darlegt. Auch, wie wir dahin kamen, und was uns blüht, wenn wir die Probleme nicht lösen.

      Die Situation ist durchaus der von 1929 ähnlich, und wohin die führte, wissen wir... Sie war ja erst mit dem Krieg "ausgestanden".

      Natürlich haben die Rechtspopulisten die dümmste aller Antworten. Die Schwierigkeit ist nur, dass die Konservativen einfach nicht einsehen wollen, dass ihr neoliberales "Geschäftsmodell" ebenso in die Katastrophe führt wie die Planwirtschaft es tat. Sie behaupten schlicht, Benzin sei ein Mittel zum Feuer löschen - und verhalten sich dementsprechend!

      Und die Linke ist so schwach, dass sie nur an Symptomen rumdoktort.

      Wie es aussieht, sind wir dazu verdammt, die Geschichte von 1929 zu wiederholen.

      Wobei: Deutschland profitiert doch am meisten von der EZB-Politik. Nur geht das in den Schädel der Rechten nicht rein. Die (globale) Ökonomie ist nun mal mit dem Milchbüchlein der "Schwäbischen Hausfrau" nicht zu verstehen.

      Nachsatz: Es lohnt sich in diesem Zusammenhang, die ökonomischen Regulierungsmechanismen der ersten israelitischen Gesellschaft zu studieren, die in den 5 Büchern Mose dargelegt sind. Da steckt ein sehr spannendes Konzept dahinter (Sabbatjahr, Erlassjahr, ...) Leider ist nicht überliefert, dass dieses Konzept wirklich umgesetzt wurde. Auch damals schon regierte halt die Gier.