Kommentar EU und Ukraine: Nichts als fromme Wünsche
Trotz den für Dezember versprochenen Neuwahlen gilt: Noch ist nichts gut in der Ukraine. Denn die EU hat keine Strategie.
Z weimal ist die EU schon in der Ukraine gescheitert. Erst lehnte Präsident Janukowitsch das geplante Assoziierungs- und Freihandelsabkommen ab, dann verlief der Vermittlungsversuch zwischen Regierung und Opposition im Sande. Statt die Lage in Kiew wie versprochen zu beruhigen, mussten die Europäer hilflos zusehen, wie sie sich die Gewalt immer mehr aufschaukelte.
Nun haben sie sich wieder eingemischt, diesmal unter dramatischen Umständen. Während auf dem Maidan Scharfschützen auf Demonstranten zielten, versuchten Außenminister Steinmeier und seine französischen und polnischen Amtskollegen, einen Fahrplan für eine politische Lösung zu entwerfen. Gleichzeitig beschlossen die übrigen 25 EU-Außenminister in Brüssel gezielte Sanktionen gegen das ukrainische Regime.
Verspricht dieser verzweifelte dritte Anlauf nun mehr Erfolg? Oder haben die Amerikaner recht, die der EU von Anfang an keine Lösung in der Ukraine-Krise zutrauten, wie das legendäre „Fuck the EU“ der US-Europaexpertin Nuland in schonungsloser Offenheit verriet? War es falsch von den Europäern, in Kiew auf „Soft Power“ zu setzen, während der Konflikt immer mehr auf einen geopolitisch hochbrisanten Bürgerkrieg zusteuerte?
Noch ist es zu früh, diese Frage zu beantworten. Zwar zeichnete sich am Freitagmorgen nach stundenlangen nächtlichen Verhandlungen eine Lösung ab. Man habe sich auf Neuwahlen im Dezember geeinigt, teilte Janukowitsch mit. Doch ob es dazu kommen wird, ist durchaus zweifelhaft.
Die EU hat sich an der Ukraine ganz offenbar übernommen; allein werden die Europäer diesen Konflikt nicht beenden können. Russland muss mit ins Boot; ein russischer Vermittler nahm ja bereits an den nächtlichen Diskussionen teil.
Auch die Uno wird gebraucht. Und selbst ohne die USA wird es wohl am Ende nicht gehen. Denn die Amerikaner sind – wie nicht erst das „Fuck“-Zitat offenbarte – Teil dieses Konfliktes. Sie gießen schon lange Öl ins Feuer; in Washington werden längst Pläne für die Zukunft der Ukraine geschmiedet. Sogar über die Besetzung der nächsten Regierung in Kiew macht sich die US-Administration schon Gedanken.
Russen und Amerikaner haben eine Strategie, die Europäer kommen vor allem mit frommen Wünschen. Die mögen die Lage für ein paar Stunden oder Tage beruhigen; an den harten Realitäten ändern sie nichts.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Kohleausstieg 2030 in Gefahr
Aus für neue Kraftwerkspläne
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Russlands Nachschub im Ukraine-Krieg
Zu viele Vaterlandshelden