Kommentar EU-Wachstumsprognose: Zusammenhänge ignorieren
Am Montag publizierte die EU-Kommission ihre Prognose für die Jahre 2017 und 2018. Der Optimismus ist nur möglich, weil sie alle Risiken ausblendet.
EZB-Chef Mario Draghi sieht die Sache ganz anders als die EU-Kommission Foto: ap
Gute Nachrichten gefällig? Da ist man bei der EU-Kommission genau richtig. Am Montag publizierte sie ihre „Winterprognose“ für die Jahre 2017 und 2018. Die Aussichten könnten nicht besser sein: In allen europäischen Ländern soll es zu oft kräftigem Wachstum kommen. Selbst die Griechen dürfen sich freuen; ihnen wird ein Plus von 2,7 und 3,1 Prozent vorhergesagt.
Natürlich ist auch der EU-Kommission nicht entgangen, dass es Risiken gibt. Aber es fällt auf, dass in der Brüsseler Prognose eventuelle Turbulenzen nur von außen kommen. Der neue US-Präsident Trump, aber auch der Brexit werden als Gefahren ausgemacht. Doch Kerneuropa selbst ist auf einem angeblich guten Weg. Die Zahl der Arbeitsplätze soll weiter zunehmen, die Binnennachfrage wachsen.
Die EU-Kommission scheint also auf einem ganz anderen Kontinent zu leben als EZB-Chef Mario Draghi. Er ist so besorgt, dass er noch immer Milliarden in die Banken pumpt, damit die Eurozone nicht kollabiert.
Der Optimismus der EU-Kommission ist nur möglich, weil sie alle Risiken ausblendet, die in der Eurozone schlummern. Nur ein Beispiel: Kredite in Höhe von etwa einer Billion Euro sind faul, sodass es jederzeit zu neuen Bankenkrisen kommen kann. Besonders gefährdet sind Italien und Griechenland.
Zudem ist auch das Wachstum selbst künstlich aufgebläht: Da Draghi die Zinsen nach unten drückt, liegt der Eurokurs sehr niedrig, was die europäischen Waren auf den Weltmärkten billig macht und die Exporte explodieren lässt.
Aber diese Zusammenhänge werden von der EU-Kommission ignoriert, die stattdessen von steigenden Zinsen träumt – und den Sparkurs in den Krisenländern verschärfen will. Die Begründung ist atemberaubend naiv: Das Wachstum zeige doch, dass man die Defizite abbauen könne. Sollte sich Brüssel durchsetzen, ist eine Rezession programmiert. Die Eurokrise würde wieder aufflammen.
Kommentar EU-Wachstumsprognose: Zusammenhänge ignorieren
Am Montag publizierte die EU-Kommission ihre Prognose für die Jahre 2017 und 2018. Der Optimismus ist nur möglich, weil sie alle Risiken ausblendet.
EZB-Chef Mario Draghi sieht die Sache ganz anders als die EU-Kommission Foto: ap
Gute Nachrichten gefällig? Da ist man bei der EU-Kommission genau richtig. Am Montag publizierte sie ihre „Winterprognose“ für die Jahre 2017 und 2018. Die Aussichten könnten nicht besser sein: In allen europäischen Ländern soll es zu oft kräftigem Wachstum kommen. Selbst die Griechen dürfen sich freuen; ihnen wird ein Plus von 2,7 und 3,1 Prozent vorhergesagt.
Natürlich ist auch der EU-Kommission nicht entgangen, dass es Risiken gibt. Aber es fällt auf, dass in der Brüsseler Prognose eventuelle Turbulenzen nur von außen kommen. Der neue US-Präsident Trump, aber auch der Brexit werden als Gefahren ausgemacht. Doch Kerneuropa selbst ist auf einem angeblich guten Weg. Die Zahl der Arbeitsplätze soll weiter zunehmen, die Binnennachfrage wachsen.
Die EU-Kommission scheint also auf einem ganz anderen Kontinent zu leben als EZB-Chef Mario Draghi. Er ist so besorgt, dass er noch immer Milliarden in die Banken pumpt, damit die Eurozone nicht kollabiert.
Der Optimismus der EU-Kommission ist nur möglich, weil sie alle Risiken ausblendet, die in der Eurozone schlummern. Nur ein Beispiel: Kredite in Höhe von etwa einer Billion Euro sind faul, sodass es jederzeit zu neuen Bankenkrisen kommen kann. Besonders gefährdet sind Italien und Griechenland.
Zudem ist auch das Wachstum selbst künstlich aufgebläht: Da Draghi die Zinsen nach unten drückt, liegt der Eurokurs sehr niedrig, was die europäischen Waren auf den Weltmärkten billig macht und die Exporte explodieren lässt.
Aber diese Zusammenhänge werden von der EU-Kommission ignoriert, die stattdessen von steigenden Zinsen träumt – und den Sparkurs in den Krisenländern verschärfen will. Die Begründung ist atemberaubend naiv: Das Wachstum zeige doch, dass man die Defizite abbauen könne. Sollte sich Brüssel durchsetzen, ist eine Rezession programmiert. Die Eurokrise würde wieder aufflammen.
Fehler auf taz.de entdeckt?
Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!
Inhaltliches Feedback?
Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.
Kommentar von
Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
Themen
mehr von
Ulrike Herrmann