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Kommentar EU-Gipfel zum BrexitKein Weg zurück, kein Weg nach vorn

Kommentar von Eric Bonse

Die EU-Chefs konnten sich auf keinen Plan für den Brexit und auch auf keinen Zeitpunkt einigen. Sie verharren in Nostalgie und sinnlosen Machtspielchen.

Wo geht's hier zum EU-Ausgang? Angela Merkel übernimmt bestimmt gern die Führung Foto: dpa

U numkehrbar. Das ist das einzige klare Wort, das beim Brexit-Gipfel der EU fiel. Das britische Referendum für den EU-Austritt sei unumkehrbar, sagte die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem Krisentreffen in Brüssel. Für die Briten gebe es keinen Weg zurück. Soll das etwa alles gewesen sein? Wo bleibt der Druck, um nun eine Hängepartie und Nachahmer in anderen EU-Mitgliedsstaaten zu verhindern?

Von einem Gipfel der Regierungschefs muss man erwarten können, dass sie den europäischen Bürgern nun sagen, wie es weitergeht. Wie sieht der Weg nach vorn aus – für Großbritannien, aber vor allem für die EU? Dass diese Fragen unbeantwortet bleiben, ist völlig inakzeptabel. Die EU-Chefs schafften es nicht, das dringend benötigte Signal für einen Neustart zu geben. Dazu verharren sie zu sehr in Nostalgie und in sinnlosen Machtspielchen.

Der britische Premier David Cameron schwärmte nach seinem wohl letzten EU-Gipfel von den Lobreden, die seine Kollegen aus Irland, Frankreich oder Malta auf die gemeinsame große Geschichte gehalten hätten. Gleichzeitig wurde bekannt, dass sich die EU-Staaten und die EU-Kommission über die Frage streiten, wer denn nun die Scheidungsverhandlungen führen wird. Merkel und die anderen Chefs misstrauen der Kommission und wollen die Führung übernehmen.

Deutschland beansprucht für sich dabei eine Sonderrolle. Wie sonst ist es zu erklären, dass Merkel und Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schon vor dem Gipfel zu diversen Minigipfeln nach Berlin geladen hatten? Ein solches Vorgehen sorgt für böses Blut bei den nicht beteiligten Mitgliedsstaaten.

Jeder misstraut jedem

Im Brexitschock-Europa misstraut jeder jedem. Paradoxerweise führt das dazu, dass ausgerechnet Cameron wohlwollend, fast schon zuvorkommend behandelt wurde. Wie kann es sein, dass dem Politiker, der ohne Not und ausschließlich aus machtpolitischen Interessen ein Referendum ansetzte und damit das Projekt Europa gefährdet, nicht der Kopf gewaschen wird?

Merkel schaffte es sogar, alle Forderungen nach einem schnellen Start der Austritts-Verhandlungen vom Tisch zu wischen. Am Ende des Gipfels stand nicht ein einziger Satz zum weiteren Vorgehen im Protokoll. Selbst der Zeitplan für den Austritt ist vage. Dabei müsste genau das Gegenteil der Fall sein – allein schon aus Schutzverantwortung für die übrigen 27 Mitgliedsstaaten.

Eine lange Periode der Unklarheit wird den Rechtspopulisten in die Hände spielen – und das ist verantwortungslos. Stattdessen müsste die EU London nun mit Sanktionen drohen, wenn das Königreich nicht schnell die Scheidung einreicht. Man könnte beispielsweise den „EU-Pass“ für britische Banken einkassieren oder auch den Britenrabatt. Abwarten ist jedenfalls keine Option. Das klingt nicht unumkehrbar, sondern ratlos.

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4 Kommentare

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  • Sorry, aber so dumm kann doch niemand sein! Alle hätten nur Nachteile davon, vor allem die Briten selber: Abtrennung von Schottland u. N-Irland, Brezzession, Brexodus, Pfundabwertung Finanzkrise mit misarabler Bonität, hohe Arbeitslosigkeit. Jeden Tag wird jetzt eine neue Hiobsbotschaft kommen.

     

    Und das alles nur damit ein paar Rassisten offen über Zuwanderer her fallen können? Dabei ist noch nicht mal sicher, ob GB nach dem Brexit zur Auflage gemacht wird, noch mehr Migranten aufzunehmen, sonst wird es nichts mit einem Handelsabkommen. Ich würde dies um Nachahmer abzuschrecken so machen!

     

    Die Rechtspopulisten haben schon verloren, da ihr selbstgebasteltes Weltbild von der Realität eingeholt wird.

     

    Es wird sich ferner niemand finden, der den Brexit einleitet, da dessen Name für immer mit dem Niedergang von GB verbunden bleiben wird. Es wird Neuwahlen geben, und der Gewinner wird bereits im Wahlkampf verkünden, dass er gegen den Brexit ist. Dieser Umstand entbindet von der Umsetzung dieses elenden Referendums.

     

    Ich finde auch,

  • Abwarten ist keine Option? Es ist wohl noch für einige Zeit die einzige: denn es sieht schwer danach aus, daß auf der Insel noch gar kein Plan für den Ausstieg - also auch keine Grundlage für Verhandlungen über die Modalitäten - existiert. Anscheinend hat man dort seitens der "Brexit"-Befürworter selbst nicht an einen Erfolg beim Referendum geglaubt, anders wäre derartige Verantwortungslosigkeit kaum zu erklären. Es ist auch so schon nicht zu entschuldigen - Leute wie Boris Johnson z.B. mußten doch wissen, daß man nicht einfach Tschüß sagen kann und das war es dann auch schon!

     

    Das gilt natürlich auch und erst recht für Cameron. Der hatte ganz offenkundig selbst keinen Plan B für den nun eingetretenen Fall Und wird als an eigener Idiotie gescheiterter Politiker in die Geschichte eingehen. Wie kann man nur als Regierungschef eine Volksabstimmung über eine solch zentrale Frage anberaumen und keinerlei Vorkehrungen für ein unerwünschtes Ergebnis treffen?

  • locker bleiben - warum sollte man den Briten Sanktionen auferlegen, wenn diese noch keine Absichtserklärung zum Austritt aus der EU abgegeben hat?

    Das Ergebnis der Volksbefragung war 50:50! Mehr nicht!

    Ich würde ja gerne mal die Fehlerrechnung zu dieser Volksbefragung, mithilfe der gaußschen Normalverteilung, sehen.

    Wäre das Ergebnis dann 52% +-8% ?? hm...keine Ahnung aber ne ziemlich große Toleranz haftet an so einer Auszählung.

    Das Britische Parlament muss jetzt entscheiden, welchen Weg sie gehen wollen.

    Bis dahin ist es Wurst, was irgend jemand dazu sagt oder meint!! Macht euch doch alle nicht verrückt!

  • Der Kernstreitpunkt werden bei einem Verbleib im Binnenmarkt (EEA bzw Norway+) die Rolle der Kanalinseln und der Isle of Men sein, über die UK bislang seine schützende Hand halten konnte. Bei Neuverhandlungen nach einem Austritt über Art 50 wird man von Seiten der EU die Piratenbuchten den Finanzkapitalismus natürlich schließen wollen. Das ginge staatsrechtlich einfach durch eine britische Annektion des Kronenbesitzes, wahrscheinlich aber wird man es schwieriger machen. Auf jeden Fall geht es diesen Orten an den Kragen, in denen Briefkastenfirmen munter ihre Geschäfte treiben.