Kommentar EU-Flüchtlingsquote: Ein elendes Hängen und Würgen
Die EU muss Flüchtlinge langfristig gerechter verteilen. Wenn sie es nicht schafft, wird eine schwere politische Krise folgen.
Die simple Wahrheit ist: Mittelfristig gibt es bei der Flüchtlingsaufnahme keine Alternative zu einer Lastenteilung innerhalb der EU. Die geltenden Regelungen belasten Italien, Griechenland und zunehmend auch Ungarn über jedes Maß. Für Hilfsorganisationen sind die humanitären Zustände etwa in der Ägäis mittlerweile vergleichbar mit jenen in Konfliktgebieten.
Wenn die EU es nicht schafft, einen Ausweg zu finden, wird das schwere politische Krisen nach sich ziehen. Das Geplänkel zwischen Budapest und Brüssel in den vergangenen Wochen dürfte nur ein Vorgeschmack gewesen sein.
Der erste Schritt in Sachen Umverteilung war deshalb überfällig. Bis heute gibt es nicht mehr als unfertige Gedankenspiele für eine tragfähige, gesamteuropäische Asylarchitektur, aber keine Praxiserfahrung geschweige denn die nötigen Institutionen. Dass nun endlich ein Modellversuch für die Umverteilung gestartet wird, ist die gute Nachricht. Und immerhin bestanden die übrigen Staaten nicht länger darauf, dass Italien und Griechenland die Asylverfahren abschließen, bevor die Flüchtlinge in andere EU-Staaten ausreisen dürfen.
Doch schon bis hierher war es ein elendes Hängen und Würgen. Die Kommission hat sich bei vielen EU-Partnern eine Abfuhr geholt. Kaltschnäuzig haben Staaten wie Österreich, Großbritannien, Dänemark, aber auch Länder in Mittelosteuropa gesagt: nicht unser Problem!
Dass am Ende doch einmalig knapp 30.000 Plätze zusammengekommen sind, dürfte vor allem der Hoffnung geschuldet sein, die Debatte um eine dauerhafte Lösung erst einmal zu beenden. Denn die würde für die meisten EU-Staaten bedeuten, dass sie mehr Menschen aufnehmen müssen. Das aber lehnen sie ab. Und dies ist die schlechte Nachricht. Denn wenn schon im ersten, vorsichtigen Testlauf für ein Umverteilungssystem mit so unverhohlenem Egoismus verhandelt wird, wie soll dann jemals eine strukturelle Regelung gefunden werden?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was