Kommentar Diesel-Fahrverbot in Berlin: Abkühlen unwahrscheinlich
Der Diesel-Kompromiss der Großen Koalition sollte Fahrverbote verhindern, doch ein Berliner Gericht hat anders entschieden. Der Druck steigt.
E in Fahrverbot für Diesel-Pkws auf der Friedrichstraße – kommt es dazu wirklich, geht die Bedeutung weit über Berlin hinaus. Ein Premiumprodukt der deutschen Industrie darf im Zentrum der eigenen Hauptstadt nicht mehr benutzt werden – wem will man das erklären?
Nicht nur die rot-rot-grüne Landesregierung der Hauptstadt steckt angesichts der Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts in der Bredouille, auch wenn diese noch nicht rechtskräftig ist. Prekärer wird die Lage auch für die Bundesregierung, besonders für Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), und die Autohersteller BMW, Daimler, Volkswagen. Erst in der vergangenen Woche einigte sich die Große Koalition auf einen Diesel-Kompromiss. Das Ziel lautet, Fahrverbote, die die Wähler*innen im täglichen Leben beeinträchtigen, zu vermeiden.
Man wollte das Problem eindämmen, indem die vermeintliche Lösung auf 14 besonders betroffene Städte mit hoher Luftbelastung durch dreckige Diesel konzentriert wird. Dort bekämen gut eine Million Diesel-Besitzer lukrative Zuschüsse zum Kauf neuerer, sauberer Wagen oder eine Nachrüstung ihres alten Gefährts mittels Katalysator. Fall erledigt. Doch so funktioniert das nicht.
Denn Berlin gehörte bisher nicht zu den 14 Problemstädten. Die Sache zieht Kreise. Weitere Kommunen mit ähnlichen Gerichtsentscheidungen könnten folgen. Wie in Berlin klagt die Umwelthilfe in mehr als zwei Dutzend weiteren Städten, darunter Bonn, Köln, Dortmund, dem halben Ruhrgebiet.
Zusätzliche Nachrüstungen notwendig
Hunderttausenden, vielleicht Millionen Diesel-Besitzern zusätzlich müssten Regierung und Industrie das Umtausch- und Nachrüstangebot machen. Die Kosten steigen stark. Umgekehrt dürfte die Bereitschaft der Autokonzerne abnehmen, denjenigen Autohaltern einen Stickoxid-Katalysator zu bezahlen, die sich keinen neuen Wagen leisten können.
Anstatt abzukühlen, wird sich der Konflikt wohl verschärfen. Damit steigt der Druck auf die Regierung, anstatt einer halbgaren eine solide Lösung zu präsentieren. Diese muss die Verpflichtung für die Hersteller beinhalten, alle von Fahrverboten bedrohten Wagen auf Firmenkosten nachzurüsten.
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