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Kommentar Deutsche Chemie in SyrienMassenhaft Zahnpasta für Assad

Ulrike Winkelmann
Kommentar von Ulrike Winkelmann

Unklar ist, ob sich in Assads Waffen deutsche Chemie befindet. Klar ist: Der Export von Dual-Use-Gütern in Krisenregionen braucht Beschränkungen.

Was da wohl schon wieder drin ist? Bild: imago / ctk / candybox

M an wüsste gern Näheres über die Größe der syrischen Zahnpasta-Industrie. Die Bundesregierung sagt, Syrien habe zwischen 2002 und 2006 versichert, dass es die 111 Tonnen Chemikalien aus Deutschland nur zivil verwenden werde. Mit Fluorwasserstoff, das den Löwenanteil der Lieferungen ausmachte, wird etwa Zahnpasta hergestellt.

Vielleicht aber erfahren wir auch bald, dass Syrien die Chemikalien aus Deutschland zur Herstellung von Chemiewaffen verwendet hat. Dann hätten deutsche Industrie und deutsche Regierung die Kinder am Stadtrand von Damaskus umgebracht, deren Bilder im August die Welt erschütterten.

Es gibt viele „Dual Use“-Güter, also Produkte, aus denen Zahnpasta ebenso wie Massenvernichtungswaffen gemacht werden können. Die EU-Richtlinie, nach der Chemikalien nach Syrien verkauft wurden, soll den zivilen vom militärischen Nutzen zu unterscheiden helfen. Dass dies die Geschäfte nicht zu arg beeinträchtigen darf, verrät nun jede Formulierung der Bundesregierung: Die zivile Verwendung sei „plausibel dargestellt worden“, es gab „keine Hinweise“ auf Waffenbau. „Wir gehen davon aus“, dass es nur zivilen Nutzen gab, wie die Kanzlerin sagt. Man hat es also nicht gewusst, man bekam auch nichts garantiert, und es war nicht sicher.

Diese Sicherheit könnte eine Offenlegung der Chemiewaffenarsenale durch Baschar al-Assad bringen. An den Gasgranaten selbst wird nicht made with products from Germany stehen, aber in den Fabriken wird es Hinweise geben.

Doch schon die Unsicherheit darüber, ob nicht deutsche Firmen jämmerliche 170.000 Euro damit verdient haben, dass Assad seine Bürger ersticken ließ, lässt nur einen Schluss zu: Auch der Export von Dual-Use-Gütern in Krisenregionen muss beschränkt werden.

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Ulrike Winkelmann
Chefredakteurin
Chefredakteurin der taz seit Sommer 2020 - zusammen mit Barbara Junge in einer Doppelspitze. Von 2014 bis 2020 beim Deutschlandfunk in Köln als Politikredakteurin in der Abteilung "Hintergrund". Davor von 1999 bis 2014 in der taz als Chefin vom Dienst, Sozialredakteurin, Parlamentskorrespondentin, Inlandsressortleiterin. Zwischendurch (2010/2011) auch ein Jahr Politikchefin bei der Wochenzeitung „der Freitag“.
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16 Kommentare

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  • Sehr geehrte Frau Winkelmann,

     

    vielen Dank für die Antwort. Es erscheint schwierig in diesen Fall den Irak als Beispiel zu bemühen. Denn auch dort gilt für die Bewertung vorgefundener Chemikalien und Anlagen gerade nicht: "esse, non videri".

     

    Genauso wie es Fälle von Direktexport gab, waren auch Exportketten über Dritt- und Viert-Länder üblich um die tatsächlichen Quellen zu verdecken.

     

    Zu Syrien:

     

    Deren C- Potenzial existiert seit 15-20 Jahren und besteht aufgrund nachvollziebarer Überlegungen kaum aus kompletter Kampfstoffen. Es soll sich um ein Arsenal zur Abschreckung handeln das mit Lost (Typ unbek.), Sarin und VX, die Nervengas inbinärer Form, bestückt sein soll.

    Trägermittel dürften schwere Rohrwaffen und Art. Raketen sein.

    Bei binären Kampfstoffen liegen die Komponenten in haltbarer Form in getrennten Behältern vor und dürften ebenso verteilt gelagert werden. Eine nachträgliche Füllung ist nicht möglich. Binärmunition wird zur Verwendung nur noch zusammengebaut.

    Ein C-Bestand zur Vergeltung und Abschreckung ist teuer in Bewachung und Erhaltung. Daher erscheint es unzweckmäßig das nach 2000 noch Kampfstoff gefertigt wurde.

     

    Glück auf!

     

    Karl

  • Ja, dann braucht man wie in den USA kein Waffengesetz in Deutschland, denn der Mensch ist ja grundsätzlich ein „eigenverantwortlicher Gutmensch“.

     

    Wegen des scharfen Waffengesetzes in Deutschland (finde ich o.k.) ist bisher niemand auf die Idee gekommen, alle Küchenmesser zu verbieten (obwohl damit auch schon Menschen getötet wurden).

     

    Giftgas ist aber vergleichsweise eben kein i.A. harmloses Küchenmesser, sondern eine scharfe Waffe.

  • "Chemieexport" oder "Giftgasexport" nach Syrien ...

    Es ist schon erstaunlich wie die "Giftgasexporte" nach Syrien als "Chemieexporte" von den Verantwortlichen verharmlost werden.

     

    Das wäre etwas so, als würde man die Gaskammern in Auschwitz und den andere Konzentrationslagern als "Chemielabore" umschreiben.

     

    Beängstigend wie wenig die Entscheidungsträger in den verantwortlichen Regierungslagern - das waren sowohl Rot-Grün als auch Schwarz-Rot - aus der Geschichte gelernt haben!!!

     

    Aber vielleicht sind den Damen und Herren in Regierungsverantwortung 1400 unschuldige Menschen vergleichsweise noch zu wenig???

    • @Detlef Wulff:

      Es wurden keine Chemiewaffen geschickt, sondern Basischemiekalien, aus denen man sehr viel machen kann. Lacke, Zahnpasta, Kampfgas.

       

      Noch nicht mal ihr Messer-Vergleich trifft zu. In Ihrem Küchenmesserbild schickte man Eine Besteckstahllegierung. Aus der kann man Löffel machen. Oder Messer. Oder vielleicht auch Pistolen.

       

      Dual-Use gütern mit Waffen gleichzusetzen ist an naivität nicht zu übertreffen.

  • Was hat jetzt die Merkel damit zu tun? Muss man das verstehen?

  • Wie doof, Verzeihung naturwissenschaftlich ungebildet muss ein Mensch eigentlich sein um einen dermaßen defizitären Artikel zu verfassen?

     

    Wenn es tatsächlichzutrifft das die syrischen Neverkampfstoffbestände aus Sicherheitsgründen, dazu zählt auch Kontrolle und Machterhalt, binärer Natur sind wird man garkeine Spuren finden können.

     

    Und bevor ich mich zu Särten über "Assad und erstickende Bürger" hinreißen lasse, empfehle ich den OPCW-Bericht genau zu lesen und auf der chemischen und waffentechnischen Ebene zu verstehen!

     

    Für diese rüden Formulierungen bitte ich um Entschuldigung Frau Winkelmann, als Chemiker kann ich nicht anders!

     

    GHlück auf!

     

    Karl

    • Ulrike Winkelmann , Autorin des Artikels, Chefredakteurin
      @KarlM:

      Sehr geehrter Herr KarlM,

       

      als Redakteurin freut man sich immer über konstruktive und differenzierte Kritik. In diesem Zusammenhang erscheint mir sinnvoll, darauf hinzuweisen, dass es auch im Irak gelang, Hinweise auf die Herkunft der Materialien in den Chemiewaffenfabriken zu finden. Es hängt eben davon ab, wie jetzt die Sicherstellung von Assads Beständen läuft. Und es wird interessant zu sehen, ob die Bundesrepublik für ein möglichst weitgehendes Untersuchungsmandat kämpft. U.W.

  • ca. 100 t Fluorwasserstoff ist eine Menge, die durchaus bei 20 mill. Einwohnern auf eine Nutzung zur Herstellung von Zahnpasta hinweist.

    Die Quellen des Sarin liegen er in Russland. Überreste der C-Waffen haben kyrillische Buchstaben getragen.

    Wenn man Merkel ans Bein pissen will, dann bitte weniger reflexartig. Es gibt Gründe, die CDU auf gar keinen Fall zu wählen, doch mit Giftgas wird da kein Schuh draus. Das geht eher nach hinten los.

    • M
      mir
      @lions:

      Naja, wie unten überschlagen wurde, kann man daraus 100000t Zahnpasta machen. Das wären eine Milliarde Tuben zu je 100g, also 50 Tuben pro Syrer.

       

      Das beweist nicht viel, außer dass Dein erster Satz falsch ist.

  • Der Export von Dual-Use gütern, kommt bei ganz strenger Auslegung einem Embargo gleich.

     

    Ob ein Embargo stabilisierend wirkt, ist zu bezweifeln.

  • I
    Ichhalt

    Sowas Dummes habe ich selten gelesen. Dann sind ja auch Wasserlieferungen in die Sahara illegal, weil man damit Waterboarding betreiben könnte.

  • H
    Herodes

    Toll, Ulrike, Dein Artikel ist voller falscher Behauptungen:

    " Dann hätten deutsche Industrie und deutsche Regierung die Kinder am Stadtrand von Damaskus umgebracht, ...."

    Oh, klar, die Mitglieder der syrischen Regierung und Militärführung sind unmündige, dumme Kinder und somit nicht deliktfähig. Also müssen "die Deutschen" ja an allem Schuld sein.

    Mein Nachbar hat am Dienstag seinen ungehorsamen Hund mit einer zusammengerollten "taz" verprügelt. Schuld sind der Kioskverkäufer und alle "taz"-Mitarbeiter. Ulrike, Hör sofort damit auf, Tierquäler mit Folterinstrumenten zu versorgen!

    "... aber in den Fabriken wird es Hinweise geben."

    Nach sieben bis elf Jahren? Ja klar, der Ordner "Chargenrückverfolgung" steht im Büro des Qualitätsmanagers...

    "Die zivile Verwendung sei „plausibel dargestellt worden“, es gab „keine Hinweise“ auf Waffenbau. „Wir gehen davon aus“, dass es nur zivilen Nutzen gab, wie die Kanzlerin sagt. Man hat es also nicht gewusst, man bekam auch nichts garantiert, und es war nicht sicher."

    Diese Conclusion ist nicht korrekt. Auch das zivile Recht verwendet höchst selten die Beweislastumkehr. Das bedeutet, dass der Kunde nicht beweisen muss, dass er mit dem Produkt keine Kriegswaffen herstellt, sondern dass der Verkäufer nur bei begründeten Zweifeln über die Verwendung die Lieferung verweigern muss.

    "Doch schon die Unsicherheit darüber, ..., lässt nur einen Schluss zu:"

    Oh, klar, nichts genaues weis man nicht aber die Meinung ist zementiert!

    Gilt das auch für die einschlägigen Vorwürfe an Trittin, Cohn-Bendit und Beck? (SCNR)

    " Auch der Export von Dual-Use-Gütern in Krisenregionen muss beschränkt werden."

    Oh, Syrien ist also bereits seit 2002 eine "Krisenregion"? Eher doch erst seit 2011.

    Ach ja, und wer regierte diese Land bis 2005? Alles klar, da haben wir es, die Grünen haben die syrischen Kinder umgebracht! (Frei nach Ulrikes Logik)

  • MS
    Mr. Sad

    "Dann hätten deutsche Industrie und deutsche Regierung die Kinder am Stadtrand von Damaskus umgebracht....."

     

    Manchmal fragt man sich wie manch "Bildungsbürger" hier denkt. Eigenverantwortlichkeit ist kein Begriff in der roten TAZ, dass wissen wir ja, aber Firmen die chem. Stoffe herstellen als Mörder zu bezeichnen ist wirklich sehr traurig. Nicht Assad der sozialistische Verbrecher ist der Mörder nein nein, das ist die freie Marktwirtschaft und ihre Protagonisten. Beispiele für andere Dinge die Zweckentfremdet werden muss ich nicht darlegen, das werden andere hier machen.

    Aber nochmal für Grüne und Linke (und die Linke weiß das ja am besten :D) man kann nicht alles durch Verbote und Gesetze unterbinden. Alles kann irgendwie oder irgendwann Zweckentfremdet werden, ja auch für Dinge die nicht in das moralisch puritanische Weltbild passen. Aber sobald es ein Gesetz gibt in Deutschland hört diese Zweckentfremdung der Dinge der Vergangenheit an und kein Schurkenstaat dieser Welt kann mehr schlimme Dinge ausführen.

  • KJ
    K. J.

    Wie viel Zahnpasta kann man denn aus der gelieferten Menge Chemikalien machen?

    • G
      Gast
      @K. J.:

      ca 100 000 Tonnen Zahnpasta mit 1000 ppm Flourid.

    • @K. J.:

      Man kann ziemlich viel aus Flourwasseerstoff machen. Bei Zahnpasta ist es nur prominent.