Kommentar Comeback der FDP: Sie haben gefehlt, aber nur bisschen
Die FDP im Parlament hätte den Wählerzustrom zur AfD zumindest bremsen können. Warum sie trotzdem niemand richtig vermisst hat.
I m Herbst wird die FDP aller Voraussicht nach wieder in den Bundestag einziehen. Gut so. Vier Jahre lang haben die Liberalen als wichtige Stimme in der Politik gefehlt, am ehesten wohl im Herbst 2015. Angela Merkels Öffnung der Grenzen war nicht alternativlos.
Grüne und Linke fielen als parlamentarische Opposition in dieser Frage aus, und so gewannen zunächst die, die am lautesten schrien und die Debatte mit deutschnationalen Argumenten befeuerten: die AfD. Die FDP als parlamentarische Opposition hätte 2015 den Wählerzustrom zur AfD zumindest bremsen können und dafür gesorgt, dass der Streit darüber dort ausgetragen worden wäre, wo er hingehört: in der politischen Mitte.
Man muss die Meinungen der FDP nicht teilen, aber sie liefert wichtige Beiträge zum politischen Wettbewerb. Das gilt auch für die Position der Liberalen zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den die Partei auf seine Kernkompetenzen Information, Bildung und Kultur zurückschneiden will, und für ihr Rentenkonzept, das einen flexiblen Renteneintritt statt starrer Altersgrenzen vorsieht.
Aber so begrüßenswert der Wiedereinzug der FDP in den Bundestag wäre, ihre Beteiligung an einer neuen schwarz-gelben Regierung wäre es nicht. Die Lindner-FDP riecht zwar mehr nach Silicon Valley als nach Düsseldorf, auch wenn sie von Düsseldorf aus ihren Feldzug angetreten hat. Aber eben deshalb ist sie nicht sozialer als die alte FDP.
Amazon, Uber, Airbnb und Zalando haben mit rohem Kapitalismus mehr zu tun als mit sozialer Marktwirtschaft. Die Liberalen machen sich viele Gedanken darum, wie man die Digitalisierung vorantreiben, und wenige, wie man sie sozial gestalten kann. Die Leiharbeit soll gefördert, Minijobs sollen ausgedehnt werden. Hinzu kommen die alten Krankheiten der FDP: etwa die, sich als Partei der Immobilienbesitzer zu verstehen. Sie will die ohnehin kaum wirksame Mietpreisbremse abschaffen und den sozialen Wohnungsbau reduzieren.
Möglich, dass die Liberalen bis September noch einmal richtig Fahrt aufnehmen. Die Lindner-FDP ist politisch smart, derzeit zumindest smarter als SPD, Grüne oder Linke. Selbst wenn es augenblicklich nicht nach einer Mehrheit für ein rot-rot-grünes Bündnis aussieht, sollten die drei Parteien wenigstens in der Lage sein, die Rückkehr des kalten Liberalismus in die Regierung zu verhindern.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers