Kommentar China: Störfeuer aus der Provinz
Chinas Regierung hat gelernt: Dissidenten im Exil schädigen das Image des Regimes weniger als Dissidenten in heimischen Gefängnissen.
E s klang einfach zu schön: Nach Tagen in der US-Botschaft stimmte der chinesische Bürgerrechtler Chen Guangcheng am Mittwoch zu, die Vertretung „freiwillig“ zu verlassen. Dafür soll Chinas Regierung zugesagt haben, ihn samt Familie unbehelligt zu lassen und ihm ein Studium zu ermöglichen. Die US-Regierung soll versprochen haben, Chen im Auge zu behalten.
Doch der Deal platzte ganz schnell: Chen will nun doch samt Familie ausreisen, weil man in China bedroht werde. Zugleich wirft er US-Vertretern vor, ihn zu dem Deal gedrängt, aber schon im Krankenhaus allein gelassen zu haben.
Chens Meinungsumschwung erklärt sich daraus, dass er – wie auch die USA und China – widerstrebende Interessen hat: Eigentlich möchte er in China bleiben, weil er sich dort für die Menschenrechte in seiner Heimat am effektivsten einsetzen kann. Da er und seine Familie dort aber immer wieder misshandelt werden, sind sie nur im Ausland sicher.
ist Asien-Redakteur der taz.
Die USA ihrerseits möchten Chen schon helfen, haben aber kein Interesse, die wichtigen Beziehungen zu China ganz von der Menschenrechtsfrage in Beschlag nehmen zu lassen. Vor allem wollen die USA eine schnelle Lösung, die den Besuch der MinisterInnen Clinton und Geithner nicht belastet.
Chinas Regierung hat gelernt, dass Dissidenten im Exil das Image des Regimes weniger schädigen als in heimischen Gefängnissen. Peking will Präzedenzfälle vermeiden, ist aber sonst flexibel. Anders sind die Interessen von Shens Heimatprovinz Schandong. Sie will ihn loswerden und vermeiden, dass Peking den Fall an sich reißt und gegen Schandongs Interessen handelt.
Drohungen aus Schandong gegen Chens Frau bewirkten jetzt dessen Meinungswandel. Offenbar haben die US-Diplomaten und Peking den Deal gemacht, ohne mit Störfeuer aus der Provinz zu rechnen.
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