Kommentar CSU und Arbeitsmigration: Nicht ohne mein Vorurteil
Fremdenfeindlichkeit ist ihr liebstes Politikrezept: Die CSU stellt die Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger auf eine Stufe mit Betrug.
B is zum Neujahrstag sind Rumänen und Bulgaren EU-Bürger zweiter Klasse. Während alle anderen leben und arbeiten konnten, wo sie wollten, durften Rumänen und Bulgaren das bislang ohne weiteres nur, wenn sie den Gastländern besonders nützen.
In Deutschland gibt es dafür Positivlisten mit Mangelberufen. Wessen Qualifikation gebraucht wird, der wird mit Slogans wie „Make it in Germany“ aktiv angeworben.
Viele Fachkräfte kamen diesen Angeboten nach. Deutschland hat von ihnen profitiert. Dass deshalb in einer Reihe osteuropäischer Länder mittlerweile Ärzte und Pflegekräfte fehlen, interessiert hier keinen. Man kann dies als Braindrain geißeln, aber es ist das gute Recht der Migranten, dorthin zu gehen, wo sie die besten Aussichten für sich sehen.
Jetzt fällt die diskriminierende „Freizügigkeitsbeschränkung“ weg. Ab sofort können sich alle Rumänen und Bulgaren EU-weit bewegen, wie sie möchten – egal ob Chirurg oder ungelernt. Da wäre es an der Zeit, etwas zurückzugeben und Migranten aus diesen Ländern die Möglichkeit zu geben, sich in Deutschland ausbilden zu lassen. Wenn sie sich danach entscheiden, zurück in ihre Heimat zu ziehen – wie es oft geschieht, wenn die wirtschaftliche Lage sich bessert –, fair enough. Wenn sie bleiben: auch gut.
Diffamierung als „Armutszuwanderer“
Denn Deutschland kann froh sein um jeden, der kommt. Die demografische Schwindsucht in Kombination mit Arbeitskräftemangel – gerade die Union, die dem Wirtschaftswachstum sonst alles andere unterordnet, müsste zu den größten Zuwanderungsbefürwortern gehören. Das Gegenteil ist der Fall.
Die CSU spricht von „Freizügigkeitsmissbrauch“ und stellt die völlig legale Inanspruchnahme von Sozialleistungen durch EU-Bürger auf eine Stufe mit Betrug. Sie diffamiert Rumänen und Bulgaren als „Armutszuwanderer“ – und spielt dabei zielgerichtet mit den verbreiteten Vorurteilen gegen Roma.
Mit rationalen Überlegungen hat das nichts zu tun. Aufs Ganze gesehen sind die Migranten aus diesen beiden Ländern, die bislang für eine begrenzte Frist kommen konnten, keineswegs besonders oft auf Sozialleistungen angewiesen. Dass die CSU trotzdem alles daransetzt, damit Rumänen und Bulgaren auch künftig Europäer zweiter Klasse bleiben, zeigt nur: Sie kann einfach nicht ohne. Fremdenfeindlichkeit ist ihr liebstes Politikrezept.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“