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Kommentar CDU bei der HessenwahlJetzt mit offenem Streit beginnen!

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Merkel soll angekündigt haben, auf den CDU-Vorsitz zu verzichten. Das wäre nach den Verlusten in Hessen ein guter Schritt, um die Debatte zu starten.

Noch ist sie die Parteivorsitzende der CDU: Angela Merkel Foto: ap

N ach dem schlechten Wahlergebnis in Hessen so zu tun, als könne es einfach weitergehen für die CDU, das wird nicht funktionieren. Weil: Man ist ja nach wie vor die stärkste Partei. Weil: Man stellt ja wieder den Ministerpräsidenten in Wiesbaden. Weil: Die in Berlin müssen sich jetzt eben ein bisschen mehr anstrengen. Doch klüger wäre es, jetzt, wenige Wochen vor dem Bundesparteitag in Hamburg, sofort mit der Debatte, mit offenem Streit zu beginnen. Über das, was die ChristdemokratInnen politisch umsetzen wollen. Und über das Personal, dem sie ihre Führung in diesen rauen Zeiten tatsächlich zutrauen.

Klug wäre es in dieser Lage also, Anfang Dezember eineN neueN ParteivorsitzendeN zu wählen. Weitsichtig und nützlich wäre es, wenn Angela Merkel dieses Amt zur Verfügung stellte, um als Kanzlerin ihre Große Koalition endlich wirklich führen zu können. Dass sie nach Informationen der dpa in der montäglichen Präsidiumssitzung angekündigt haben soll, nicht wieder für den Parteivorsitz zu kandidieren, lässt hoffen. Die CDU könnte die parteipolitische Moderne ausrufen und mit ihrem Erneuerungsversprechen selbstbewusst in die Europawahl, die drei Ost-Landtagswahlen 2019 und die nächste Bundestagswahl gehen.

Die CDU ist eine erfahrene, eine mit Krisen und Erfolgen vertraute Partei. Sie hat 417.000 Mitglieder. Ihre Vorsitzende Angela Merkel ist seit 18 Jahren im Amt, seit 13 Jahren führt sie die immer komplexer werdenden Regierungsgeschäfte. In dieser Situation so zu tun, als habe man kein Problem, offene Debatte mit Schwäche zu verwechseln – das wäre schlicht fahrlässig.

Ja, es reicht gerade so für Schwarz-Grün in Hessen; CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier kann mit den Grünen weitermachen. Am besten mit einem dritten Regierungspartner, um die Koalition in Wiesbaden kommod durch die kommenden fünf Jahre führen zu können. Aber die 11 Prozent Verlust bei den WäherInnen launig als „hessische Verhältnisse“ abzubuchen grenzte an politischen Selbstmord.

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Kreml-Astrologie in Berlin

Es ist allzu offensichtlich: In Berlin tanzen seit Monaten die Mäuse auf den Tischen. Die drei Koalitionspartner sind sich wahlweise gram oder spinnefeind. Das Irre: Alle warten und hoffen darauf, dass die jeweiligen Parteivorsitzenden ein Einsehen haben und vielleicht hinwerfen, bevor sie gestürzt werden müssen. Die CDU-Vorsitzende sagt mal hier was und dann wieder da – und nicht einmal die eigene Generalsekretärin vermag Angela Merkels hermetische Sätze zu deuten. Geht sie, bleibt sie? Das ist Kreml-Astrologie.

CSU-Chef Horst Seehofer klopft eitel Stammtischsprüche, tut sich selber leid und vernachlässigt seinen Innenministerjob, während sie in München schon seine Nachfolge auskegeln. Und der SPD-Vorsitzenden Andrea Nahles sieht man ihren Kummer und ihre Ratlosigkeit an. Verzweifelt steht sie am Wahlabend im gespenstisch leeren Willy-Brandt-Haus und kann nicht erklären, wofür ihre Partei derart bestraft wird. Die Lösung liegt auf der Hand. Eine Partei verantwortungsvoll zu führen bedeutet unter anderem, zu erkennen, wann es Zeit ist zu gehen. Am besten, bevor man gegangen wird.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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8 Kommentare

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  • Gestern wollten noch alle - mal wieder - zur Sacharbeit "zurückkehren".



    Nach dieser Entscheidung wird es in den nächsten 6 Wochen wohl wieder nur ums Personal gehen: Die CDU wird sich darum streiten, wer es denn nun werden soll und die SPD wird sich damit beschäftigt Pläne zu schmieden, wie sie auf die möglichen zukünftigen Parteivorsitzenden reagieren soll.

  • Die CDU hat nicht wegen Merkel verloren, sondern trotz Merkel. Was sie nun bräuchte, ist kein Rücktritt, sondern ein Merkel-Update.

    Nicht nur die CDU ist „mit Krisen und Erfolgen vertraut[]“. Auch die Kanzlerin hat schon allerhand mitgemacht. Leider wirken Erfolge und Misserfolge auf eine Institution (Partei) anders, als auf einen Menschen. Parteien ermüden nicht. Menschen schon. Parteien können sich komplett verwandeln. Menschen nicht.

    Menschen haben bestimmte, nahezu unveränderliche Wesenszüge. Parteien haben statt dessen ein breites Spektrum an Mitgliedern. Ändern sich die Zeiten, kann sich eine Partei einfach eine*n neue*n, passendere*n Vorsitzende*n suchen. Eine alte Vorsitzende allerdings kann sich aus Anlass geänderter Zeiten noch lange keinen anderen Charakter zulegen.

    Angela Merkel war erfolgreich, weil sie ist wie sie nun einmal ist. Dann kam Seehofer, der Halbstarke, und hat ihre Autorität untergraben. Darauf konnte die Kanzlerin persönlichkeitsbedingt nicht „wie ein Mann“ reagieren. Zumindest hat sie nicht getan, was Wähler mit Steinzeitprägung erwartet hätten von einem „echten Kerl“.

    Sie hat Seehofer nicht „zerleg“. Sie hat auf eine Vernunft gesetzt, die er nicht hatte. Nun haben beide verloren. Seehofer und seine Fans allerdings können nicht einsehen, dass sie bescheuert waren. Zu pubertär, die Knaben. Sie müssen tun, worauf sie abgerichtet wurden: Merkel ersetzen. Erbarmungslos. Durch einen Kerl, der in die angeblich geänderte Zeit besser passt. Seehofer etwa. Der kann bestimmt auch gut mit Trump.

    Nach Merkel wird Deutschland wieder ein Stück weiter Richtung Steinzeit rollen. Angeblich fordern das die Zeiten ja. Die Özis von der Union mag das freuen. Sie dürfen dann ganz offiziell mit denen konkurrieren, für die Merkel rechts der Union angeblich zu viel Platz gelassen hat. Ob die, die links der Kanzlerin angeblich keinen Platz zum atmen hatten, sich nun als Linke profilieren werden? Ich glaube kaum. Dazu sind sie einfach nicht "link" genug.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Für eine Streitkultur, die ihren Namen zurecht trägt, lechze ich dem Beginn eines offenen Streits (in allen drei GroKo-Parteien) entgegen.

    Nach aufkommenden Depressionen über den Wahlausgang im Hessenland lohnt sich vielleicht der zweite oder dritte Blick. Will sagen: wenn der 'primäre Lustgewinn' (zur Not: bitte googeln) ausbleibt, sich über den sekundären freuen. Es kommt Bewegung in die deutsche Politik. Anders als von mir gewünscht. Aber immerhin.

    Die Spatzen pfeifen den Namen Friedrich Merz von den Dächern. Grund zur Freude?

  • #Andrea Nahles, keine personellen und sachlichen Konsequenzen – WEITERSO



    Pressekonferenz im Willy Brandt Haus Berlin



    „wir müssen die SPD Politik besser erklären, damit der Wähler unsere wirklich gute Arbeit auch versteht“



    „Äähh eine personelle Neuaufstellung ist nicht in Rede in der SPD“

    Da kann man nur noch den Kopf schütteln über eine solche Arroganz gegenüber der Bürgerschaft. Wer hätte sich das gedacht, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel Charakter zeigt und ganz anderes als die SPD, eine personelle Konsequenz aus dem Wahldebakel zieht.

  • Angeblich soll ja Merkels "Intimfeind" Friedrich Merz für den Posten des Vorsitzenden in Frage kommen bzw. sich bewerben wollen. Das wäre für Angie innerparteilich noch eine größere Ohrfeige als die Abwahl Kauders. Ob das die CDU Wähler, die entweder zur AFD oder den Grünen gewechselt sind, wieder zurückholt, wage ich allerdings zu bezweifeln.

    • @Sophokles:

      Ja wie*?* Mach Bosse. Wollnichwoll?

      Isser denn mit dem Frisieren seines Mopeds de fiktive:



      Auf seinem Bierdeckel in - "letzter Halt" - Brilon Wald.



      Endlich & Schonn - doch noch - fertig geworden?

      Also das. Glaub ich erst - Wenn ich´s seh. Newahr.



      Normal.

  • Ich finde erstaunlich, dass all die Analysen zu(r) Wahle(en) fast genauso ratlos wirken, wie die Parteivorsitzenden. Ein kleiner Hinweis: die Diskrepanz zwischen dem alltäglichen "uns geht es gut" und dem tatsächlichen "nicht so gut" ist es...

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @agerwiese:

      Ihr Kommentar weist in die richtige Richtung.

      Es ist in der Tat ein kleiner semantischer, aber ein großer inhaltlicher Unterschied zwischen: "Deutschland geht es gut" (ließe sich auch ersetzen durch "Märkte" oder "Börse") und: "Den Bewohnern Deutschlands geht es gut".

      Bei allen kognitiven Begrenztheiten: so dumm sind nun die meisten Wähler auch nicht.