Kommentar Buchhänder-Prozess: Die Justiz ist kein Büttel der Politik

Dass der erste Prozess jetzt eingestellt wurde, beruhigt. Denn es zeigt, dass zumindest auf den Richterbänken nur die Beweislage zählt.

Wenn sich Politik in die Justiz einschleicht, ist das nicht notwendig bedenklich. Zuvorderst ist es Alltag: Immer wieder beschäftigen sich Gerichte mit Taten, die im politischen Raum spielen. Es ist dann ein Abwägen und Definieren, was Meinungsfreiheit ist und was Hetze, was dem politischen Diskurs dient und was seine Grenzen überschreitet.

Problematisch wird es dann, wenn Ankläger den Anschein erwecken, dass es weniger um das Ahnden von Verbrechen als um Zeichensetzung geht. Wenn vermeintliche Autozündler trotz dünner Beweislage in U-Haft verbleiben oder Razzien vor linken Großevents stattfinden. Auch im Fall der Prozesse gegen alternative Buchhändler lässt sich dieser Verdacht nicht abschütteln. Seit Jahren fahnden Innenbehörden erfolglos, wer hinter dem Autononemblättchen interim steckt, das regelmäßig Militantes veröffentlicht. Es mutet nach einem Stellvertreterprozess an, wenn jetzt Buchhändler vor Gericht stehen, denen abverlangt wird, alle Inhalte des von ihnen vertriebenen Schriftsguts zu kennen und zu bewerten. Dies umso mehr in Zeiten, in denen auch die Bundesregierung dem Linksextremismus zu Leibe rücken will. Die Politik kann Zeichen fordern. Die Justiz sollte dem nicht folgen.

Es ist ja auch Unsinn: So beständig die interim beschlagnahmt wird - verboten ist sie bisher nicht. Und in Zeiten des Internets ist der Szenebuchladen noch der kleinste Publikator aufrührerischer Gedanken. Dass der erste Prozess jetzt eingestellt wurde, beruhigt. Denn es zeigt, dass zumindest auf den Richterbänken nur die Beweislage zählt.

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Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort, seit 2014. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Bis 2014 vier Jahre lang Teil des Berlin-Ressorts der taz. Studium der Publizistik und Soziologie.

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