Justiz: Linker Buchladen muss sich nicht zensieren
Ist der Verkauf der "Interim" strafbar? Das erste Verfahren gegen linke Buchhändler endet vor Gericht mit einer Schlappe für die Anklage.
Die Berliner Staatsanwaltschaft hat eine schwere Schlappe hinnehmen müssen. Beim zweiten Prozesstag gegen den linken Buchladen "Oh 21" wurde das Verfahren gegen den Betreiber am Dienstag vom Amtsgericht eingestellt. Damit erlitten die Strafverfolgungsbehörden einen Rückschlag bei ihrem Versuch, linke Buchläden für inkriminierte Inhalte von Zeitschriften haftbar zu machen, die in den Räumen der Buchhandlungen verkauft werden.
Nach mehreren Durchsuchungen im vergangenen Jahr hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den Geschäftsführer des Buchladens "Oh 21" in der Kreuzberger Oranienstraße erhoben. Ihm wurde vorgeworfen, durch das Auslegen von Zeitschriften wie der Interim "Beihilfe zur Anleitung von Straftaten" geleistet und zudem gegen das Waffengesetz verstoßen zu ahnen. Ähnliche Ermittlungen gibt es auch gegen die Buchläden "Schwarze Risse" und "M99".
Die Buchhändler weisen die Vorwürfe zurück. Sie lehnen es ab, Zeitschriften und Bücher zu zensieren, die sie verkaufen. In der Interim waren mehrfach Aufrufe zur Brandstiftung an Luxusautos abgedruckt.
Der Rückschlag für die Staatsanwaltschaft hatte sich bereits beim ersten Prozesstag am 22. Februar angedeutet. Auf die Frage, wie die linken Buchläden politisch einzuordnen seien, hatte ein Beamter des Staatsschutzes nicht mehr als Floskeln parat. Die linke Szene sei vielfältig, hatte er geantwortet, ihr Grundthema sei der Antikapitalismus. Beim zweiten Prozesstag am Dienstag hatte dann der Richter vorgeschlagen, das Verfahren einzustellen. Anklage und Verteidigung willigten ein.
Der Anwalt des Buchladens "Oh 21", Ulrich von Klinggräff, begrüßte die Einstellung. "Das Gericht hat festgestellt, dass sich die Anklage auf dünnem Eis bewegt", sagte er der taz. Von Klinggräff hofft nun, dass auch die anderen Verfahren eingestellt werden.
Auch der Landeschef der Linken, Klaus Lederer, zeigte sich erfreut. "Die Einstellung des Strafverfahrens weist die Staatsanwaltschaft in die Schranken", sagte Lederer. Damit habe sich die Auffassung der Staatsanwaltschaft, Buchhändler könnten für die Inhalte aller bei ihnen ausliegenden Bücher und Materialien strafrechtlich verantwortlich gemacht werden, vor Gericht nicht durchsetzen können.
Dasselbe wünscht sich nun auch ein Mitarbeiter des Buchladens "Schwarze Risse" im Kreuzberger Mehringhof. "Wir hoffen, dass das Gericht einsieht, dass es mit dieser Anklage nicht durchkommt." Das Verfahren gegen "Schwarze Risse" und "M99" ist noch nicht terminiert.
Gut möglich ist es sogar, dass aus dem Etappensieg für die Buchhändler am Ende ein voller Erfolg wird. Wie der Anwalt des Buchladens "Schwarze Risse", Sven Lindemann, der taz mitteilte, ist die Anklage gegen seinen Mandanten vom Amtsgericht noch nicht einmal zugelassen worden. "Die Einstellung des Verfahrens vom Dienstag könnte die Richter dazu bewegen, die Vorwürfe nun endgültig zu beerdigen", so Lindemann.
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