Kommentar Bsirske Pro: Patzer ausgebügelt
Sollte der Verdi-Chef sich für sein Bonusfliegen entschuldigen? Ja!
Frank Bsirske zahlt seinen Lufthansa-Flug selbst - und räumt einen Fehler ein. Mit dem spät und sehr gewunden vorgetragenen Eingeständnis hat der urlaubende Ver.di-Chef gerade noch mal die Kurve gekriegt und größeren Schaden von seiner Gewerkschaft abgewendet. Zwar darf Bsirske sich rein formal im Recht fühlen: Schließlich gewährt die Lufthansa all ihren Aufsichtsräten Gratistickets als Zusatzgratifikation. Ob sie nun ein Anteilseigner der Arbeitgeberseite in Anspruch nimmt oder eben Bsirske, darf keinen Unterschied machen.
Doch es geht bei dieser Südseeposse nicht um Formalien. Bsirske als gewiefter - und erfolgreicher - Gewerkschaftschef müsste wissen, dass es hier vor allem um Politik, um Taktik und um Symbole geht. Wenn Lufthansa-Beschäftigte auf Flughäfen engagiert für Lohnaufschläge kämpfen, wenn klar ist, dass ein solcher Streik mitten in der Reisezeit für große Aufmerksamkeit sorgen wird, ist es schlicht dumm, kurz vorher First Class gen Süden zu jetten - auf Kosten des Unternehmens, dessen Vorstandsgehälter die eigenen Leute zu Hause geißeln. Bei der Basis wirkt das abgehoben und alles andere als imagefördernd.
Zudem hätte Bsirske dem politischen Gegner keine bessere Vorlage liefern können: Es ist evident, dass Boulevardzeitungen und die üblichen Verdächtigen von FDP und Union den Widerspruch anprangern. Angesichts empörter Schlagzeilen über Doppelmoral zu klagen, wie Bsirske es tut, wirkt hilflos. Ebenso billig ist der Fingerzeig auf andere Aufsichtsräte, die ja auch umsonst fliegen - gegen Skandallust und Verlogenheit des Boulevards helfen vorausschauendes Kalkül oder gar eine politische Haltung besser.
Im Idealfall lenkt Bsirskes Patzer die Aufmerksamkeit auf eine grundsätzliche Frage: Warum bekommen Aufsichtsräte in Firmen überhaupt Gratisflüge? Ihre Aufgabe ist es, Beschlüsse des Vorstands zu kontrollieren, als Korrektiv sollten sie möglichst unabhängig entscheiden. Stieße Bsirskes Südseeflug eine Debatte an, wer von solchen Bonbons wirklich profitiert - man müsste dem Ver.di-Chef fast danken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!