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Kommentar Brüssel kneift bei TelekommunikationMauschelei nach bewährtem Muster

Kommentar von Daniela Weingärtner

Das Europaparlament verschenkt erneut die Chance, eine starke Regulierungsbehörde für den Telekommunikationsbereich zu schaffen.

D ie Situation ist paradox. Während Europas Politiker in feierlichen Zeremonien die letzten Grenzkontrollen abschaffen, werden die protektionistischen Hürden zwischen den EU-Staaten immer höher. Daran krankt das transeuropäische Schienennetz, daran scheiterten Pläne der EU-Kommission für einen europaweit zugänglichen Energiemarkt. Jüngstes Opfer des wiederentdeckten Wirtschaftsnationalismus ist die von der EU-Kommission letzten Herbst vorgeschlagene Regulierungsbehörde für den europäischen Telekommunikationssektor.

Gestern stimmte eine überwältigende Mehrheit der EU-Abgeordneten dafür, die Kompetenz für Zuteilung der Frequenzen und Nutzung der Netze bei den nationalen Regulierungsbehörden zu belassen. In Brüssel soll ein kleines Sekretariat künftig die nationalen Regulierer beraten. Eine hochrangige Gruppe aus Experten der Mitgliedsstaaten kann Empfehlungen aussprechen, die der EU-Kommission am Ende eines langen Verfahrens ermöglichen, nationale Betonköpfe zur Öffnung ihrer Netze zu zwingen.

Doch die Prozedur ist so kompliziert, dass sie wohl kaum Drohpotenzial entfalten kann. Viele Bürger wünschen sich, Brüssel möge weniger in ihren Alltag hineinregieren. Täglich werden stapelweise Mitteilungen, Studien und Stellungnahmen von zweifelhaftem Mehrwert produziert. So ist zum Beispiel die Frage, ob sich die EU-Kommission wirklich mit Essstörungen und Fettleibigkeit, mit Raucherzonen in Kneipen oder mit Geschlechterstereotypen befassen sollte, nur allzu berechtigt.

Doch es gibt Politikfelder, die der Logik von Staatsgrenzen nicht folgen. Umweltschäden gehören dazu, Lebensmittelsicherheit, aber eben auch Versorgungsnetze und Frequenzen in einem eng verwobenen Binnenmarkt. Schade, dass erneut die Chance vertan wurde, eine starke europäische Regulierungsbehörde zu schaffen und damit einen fairen Zugang zu den neuen Techniken für alle Anbieter zu gewährleisten. Stattdessen ist nun wieder Mauschelei nach bewährtem nationalstaatlichem Muster angesagt. Denn 2010 sollen die Regierungen auf einem Gipfel die durch Digitalisierung frei werdenden UKW-Frequenzen neu unter sich aufteilen.

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2 Kommentare

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  • MG
    mischa gerloff

    "Mauschelei"? Daß die Kenntnis der Verwendungsgeschichte dieses Begriffs auch bei der taz nicht dazu führt, diesen Begriff einfach mal sein zu lassen (naja, auch T.Rapp nutzt ja "Jedem das Seine"), betrübt mich etwas.

  • DO
    Dietmar Osthus

    Dem Kommentar ist nicht zuzustimmen. Und dies aus zwei Gründen:

    1. Eine europäische Frequenzregulierung wäre in der Tat eine gute Idee, wenn nicht seitens der EU-Kommission zweifelhafte Vorstellungen über den Umgang mit Frequenzen herrschen würden. Der im Kommentar angesprochene "faire Zugang ... für alle Anbieter" kann dann eben auch bedeuten, dass Frequenzen an meistbietende versteigert werden, der öffentlich-rechtliche Rundfunk (der Marktfetischisten ohnehin suspekt ist) in seinen Entwicklungschancen gehemmt wird, oder eben auch Rundfunkfrequenzen für kommerzielle Dienste umgewidmet werden. Die Skepsis gegen eine solche EU-Regulierung besteht zurecht. Es ist nicht die Idee einer europäischen Regelung, sondern es sind die herrschenden politischen Vorstellungen der EU-Kommission z.B. zur Medienpolitik, die die "Mauschelei nach bewährtem Muster" immer noch attraktiver erscheinen lassen als die komplette Durchkommerzialisierung der Frequenzvergabe nach Brüsseler Muster.

    2. Der Kommentar geht von einer Fehlannahme aus, und zwar der von "ab 2010 frei werdenden UKW-Frequenzen" durch Digitalisierung. Diese Annahme ist fasch. In ganz Europa ist bislang keine einzige UKW-Frequenz durch Digitalisierung frei geworden und wird es nach dem Scheitern von DAB auch nicht werden. Insofern besteht gar kein HAndlungsbedarf.