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Kommentar Börsengang ZalandosCitylagen schreien vor Schmerz

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Selbst wenn die Kunden laut Slogan „vor Glück“ schreien – vielen Innenstädten wird der Börsengang des Onlinedienstes Zalando schaden.

Will an die Börse: der Internetversandhandel Zalando. Bild: reuters

D er Boom des Onlinehandels ist der Tod von Tante-Emma-Läden, Karstädten und Citylagen. Zwar bringt die (noch) brummende Konjunktur Geld in die Taschen der Konsumenten – und sie kaufen mehr ein. Entsprechend rechnet der deutsche Einzelhandel mit einem Umsatzplus von 1,5 Prozent für dieses Jahr. Insgesamt. Doch bei den stationären Händlern, die Verkäufer, Mieten, Kassierer oder vielleicht sogar Schaufensterdekorateure zu bezahlen haben, kommt davon wenig an. Vor allem in kleineren und mittelgroßen Städten veröden die Zentren – die ohnehin seit Jahren unter Outlets auf der grünen Wiese und dem Sinken der Bevölkerungszahlen zu leiden haben.

Selbst wenn die Kunden laut Slogan „vor Glück“ schreien und die Aktionäre mit den neuen Zalando-Papieren vielleicht Millionen an der Börse scheffeln – vielen Innenstädten wird es weiter schaden, wenn immer mehr bei Zalando, Amazon oder eBay geordert wird. Und nicht nur das. Auch der Modeversender Zalando tut sich schwer mit Gewerkschaften, gängelt seine Mitarbeiter mit miesen Löhnen, Einjahresverträgen und oftmals ruppigen Methoden.

Es ist ähnlich wie bei den neuen Onlinehaushaltshelfern wie Helpling oder beim Taxiservice Uber: Die schöne neue Internetwelt hat wenige Vorteile für ihre Beschäftigten. Ja, sie haben einen neuen Job. Aber der ist nicht nur unsicher, sondern häufig auch schlecht bezahlt. Der Einstiegsstundenlohn liegt bei Amazon bei 9,55 Euro, bei Zalando sollen es 9 Euro sein.

Der Konflikt zwischen überregulierter Offline- und unterregulierter Onlinewelt muss gelöst werden. Wer für einen Onlineputzdienst arbeitet, ist offenbar häufig scheinselbstständig und unterbezahlt, die in den riesigen Lagern der Internetversender Beschäftigten schuften vielfach unter prekären Arbeitsbedingungen. Und: Warum kann ich im stationären Handel nur zu den Ladenöffnungszeiten einkaufen, online aber 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr bestellen?

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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8 Kommentare

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  • Die Innenstädte, gerade Klein- und Mittlezentren, sind da zu einem gut Teil selbst schuld: Es wird verengt, beschränkt, für den motorisierten Einkäufer so unkomfortabel wie möglich gemacht. Was die dann nicht begreifen mögen: Nicht jede Stadt ist ein Touristenmagnet mit genügend flanierender Laufkundschaft. Und wenns darum geht, einen Schuldigen zu finden, dann ist das immer irgendwas diffuses Großes, Unheilvolles... nur nie man selbst.

  • Der Internethandel ist nur einer der Gründe, warum Innenstädte veröden. Viel wichtiger sind z.B. falsche Verkehrspolitik und die Profitgier von Immobilienspekulanten. Der potentielle Kunde ist weder bereit, eine beschwerliche Tagesreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu unternehmen (falls überhaupt vorhanden), noch will er als Autofahrer verdrängt und umgeleitet werden und dann trotz weiter Wege zweistellig fürs Parken bezahlen. Dazu kommt, daß Innenstadtimmobilien lange als Betongold von Investgesellschaften aufgekauft nund bis zum Anschlag finanziell ausgeschlachtet wurden. Ein Spekulant lässt ein Ladenlokal lieber leerstehen, als es zu einem moderaten Preis zu vermieten, den sich der Händler auch leisten kann. Den Leerstand kann der Konzern wie jeden Verlust irgendwie abschreiben oder absetzen, im Gegensatz zum "kleinen" Einzelhändler. Daher sieht man in den Städten auch praktisch nur noch Filialen großer Ketten und kaum noch traditionelle Familienunternehmen.

  • Endlich ein Ende den Konsumtempeln und Supermarktproduktwüsten.

    Ich lass mir mein Einkaufsbeutel per Drohne einfliegen und scheiß auf die da draussen.:-)

  • Und im Einzelhandel verdienen alle mehr als 9 Euro oder wie? Gerade bei Kleidung?

     

    Wohl kaum.

     

    Die Innenstädte sind doch überwuchert von immer den selben Läden. Wenn da mehr Platz ist für Sachen die man da nicht machen muss (Kleidung Lagern) dann muss das nicht schlecht sein.

     

    Wenn ich mir die Innenstädte vieler Städte anschaue, dann kann ein bisschen aussterben nicht schaden.

     

    Wir erleben gerade eine Reurbanisierungswelle mit Gentrifizierzung. Wenn in den Innennstädten Flächen frei werden, dann hat das auch vorteile.

     

    Der Artikel wärmt die Befürchtungen der 90er auf. Da haben die Leute noch gejammert das die gehobene Mittelschicht die Innenstädte verlässt. Heute jammert man über das Gegenteil.

  • D
    D.J.

    Der traditionelle Einzelhandel ist in vielen Bereichen am Ende. Ich bin gelernter Buchhändler, bin aber der Auffassung, dass z.B. dieser Beruf nicht mehr gebraucht wird. Wozu auch? Es gibt keine komplizieren Bestellvorgänge mehr, und seien wir mal ehrlich - wer fragt heute noch nach einer Empfehlung, wenn er/sie Kundenrezensionen abrufen kann?

    Allerdings würde ich kaum eine Hose online bestellen, da die Größenangaben stark variieren. Klamottenläden wird es also durchaus weiterhin geben, Lebensmittelläden ohnehin, aber vieles verschwindet. Die Frage ist also nicht, wie man den Lauf der Dinge verlangsamt, sondern wie man ihn gestaltet. Vernünftige Arbeitsbedingungen im Versandhandel (der ja auch absolut nichts Neues ist), sicher. Mehr nahe Abholstationen, um den Anlieferwahnsinn in den Griff zu bekommen. Überlegungen, wie die Lücken in den Innestädten geschlossen werden können (Gastronomie z.B.). Ich hoffe, der Autor suggerierte mit seinem letzten Satz nicht, dass die Möglichkeiten des Versandhandels eingeschränkt werden sollte, um den stationären Einzelhandel künstlich zu fördern. Dies wäre eine völlig zum Scheitern verurteilter Versuch.

    • @D.J.:

      Ihre Einstellung stimmt mich echt traurig. Ich kaufe meine Bücher zu 99,9 % bei 'meinem' Buchhändler um die Ecke. Was gibt es Schöneres, als in den Regalen zu stöbern, oder an Büchern zu riechen. Ausserdem finde ich die sogenannten "Kundenrezensionen" nicht sehr hilfreich. Manche denken auch, wenn sie ein Buch bei Amazon, oder Bücher.de bestellen, schon am nächsten Tag in Händen halten, weit gefehlt, oft dauert es 2 - 3 Tage, bevor der Artikel geliefert wird. Beim Buchhändler meines Vertrauens kann ich bereit am nächsten Tag darin blättern.

      • D
        D.J.
        @Fotohochladen:

        Ihre Einstellung ehrt sie. Meine Erfahrung: Unsere Kunden lobten die Freundlichkeit unserer Mini-Buchhandlung in der Bochumer Innenstadt und blieben dennoch weg, so dass mein Chef schließen musste. Zuerst gingen sie zur Riesen-Konkurrenz, die nunmehr auch eher zum Gemischtwarenladen wird aufgrund der Online-Konkurrenz. Wie gesagt, ich finde gut, was Sie tun, befürchte aber, es wird die Entwicklung nicht aufhalten.

         

        Im Übrigen: Fast kein Buch, dass ich als Historiker brauche, hat eine Buchhandlung vorrätig. Warten muss ich ohnehin.

  • Nicht dass ich die Dominanz der Internetkonzerne gut heisse, aber ist es nicht ziemlich erbärmlich, die Verödung der Innenstädte mit den Geschäftseinbußen der innenstädtischen Handelsbetriebe gleichzusetzen? Ich kann mir viele Möglichkeiten vorstellen, wie man eine Innenstadt beleben könnte - aber die Steigerung des offline Handels gehört sicher nicht dazu. Die Verödung der Städte und unseres Planeten an sich hängt ja gerade damit zusammen, dass die Geschäftemacherei (offline und online) im Mittelpunkt von allem steht.