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Kommentar Bio-EierDie Kontrollen haben versagt

Jost Maurin
Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin und Jost Maurin

Mit jedem Vorfall steigt der Druck auf die Politik, endlich zu handeln. Zentral gesteuerte Lebensmittelkontrollen könnten ein erster Schritt sein.

Drin ist nicht immer, was draufsteht Bild: dpa

E igentlich ist es ja eine schlechte Nachricht, dass die Lebensmittelbranche binnen nur zwei Wochen von zwei Skandalen erschüttert wird. Erst wurde den Verbrauchern vermutlich billigeres Pferdefleisch als teureres Rindfleisch verkauft. Nun haben die Konsumenten auch für Eier bezahlt, die unter Missachtung der Tierschutzvorschriften in überbesetzten Ställen produziert wurden. Aber dass diese Verstöße so dicht hintereinander öffentlich werden, bedeutet auch eine Chance.

Denn nun dürfte der Druck auf die Politik steigen, endlich die Lebensmittel- und Tierschutzkontrollen zu verbessern. Schließlich hat das Kontrollsystem in beiden Fällen eklatant versagt. Die Fleischpanscher haben mindestens sechs Monate lang europaweit Pferdefleisch zugemischt, ohne erwischt zu werden. Die Kontrolleure in Frankreich und Deutschland haben überhaupt nichts bemerkt, bis Irland einen Zufallsfund landete.

Die beschuldigten Legehennenhalter hielten offenbar seit Jahren systematisch zu viele Tiere pro Stall. Aufgedeckt wurde auch das weder durch die zuständigen Veterinärämter noch von den Öko-Kontrollstellen oder der Selbstkontrollorganisation der Eierwirtschaft KAT.

Bild: taz
Jost Maurin

ist Redakteur im taz-Ressort Wirtschaft und Ökologie.

Das Betrugspotenzial in der Lebensmittelbranche ist groß. Ein Grund ist der gigantische Preisdruck, den der Handel auf die Erzeuger ausübt. Umso peinlicher ist, dass in manchen Bundesländern ein einziger Lebensmittelkontrolleur für 1.000 Betriebe zuständig ist. Die Inspektoren sind bei den Kommunen angesiedelt, müssen es aber wie beim Fleischskandal oft mit multinationalen Konzernen aufnehmen.

Die Konsequenz aus den neuesten Skandalen muss sein, die Lebensmittel- und Tierschutzüberwachung zumindest auf Landesebene zu zentralisieren – und mit mehr Personal auszustatten. Aber auch die privaten Kontrollen müssen besser werden. Deshalb sollte der Staat etwa den Handelskonzernen vorschreiben, Fleischlieferungen im Labor selbst zu überprüfen. Bisher sind sie bei falschen Kennzeichnungen ihrer Produkte strafrechtlich kaum zu belangen.

Reformbedarf gibt es auch bei manchen Öko-Kontrollstellen. Auffallend viele Betriebe, deren Tierschutzverstöße später aktenkundig wurden, waren zuvor immer wieder ergebnislos von derselben Kontrollstelle überprüft worden. Auch das muss endlich ein Ende haben.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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9 Kommentare

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  • H
    Hermann

    "Die Häufung der Lebensmittelskandale ist auch eine Chance"

     

    1. Welche Häufung?

     

    2. Welche Skandale?

     

    Ein lächerlicher, lebensunerfahrener, stramm deutscher Wohlstands-Beitrag von der Luxus-Linken-Fraktion. Peinigend schlecht.

  • A
    AllesEineSoße

    Die Behörden sind doch strategisch unter- und fehlbesetzt. Das ist Absicht: So kann man den Bürgern die fortschrittlichsten, verbraucherschützendesten, tierliebsten Gesetze verkaufen und für die Industrie, die übrigens dazu noch riesige Steuergeschenke und staatliche und EU Subventionen erhalten, ändert sich nichts. Wahrscheinlich ist es wie bei der Steuer wo die Kleinverdiener kontrolliert werden, deren Steuererklärung ist ja auch einfach nachzuvollziehen, Großverdiener und Unternehmen aber wegen das Aufwands in Ruhe gelassen werden mit der Ausnahme sehr seltener Stichproben.

  • J
    Jürgen

    Weshalb werden immer wieder neue Vorschläge hervorgekramt, wenn die Behörden einfach nur ihrem Kontrollauftrag nachkommen müssten. Und dazu benötigen diese einfach mehr Personal. Ohne dieses Mehr an Personal geht es nicht.

  • IN
    Ihr NameGisa Homann

    Jetzt erst recht! Ich will Bio und werde es weiter kaufen und weiter Gebetsmühlenartig anpreisen.Z.B. bei einer öffentlichen Frühstücksrunde , die seit zwei Jahren so viel Bio- Produkte wie möglich auf den Tisch bringt: Kauft Bio. Fangt endlich an. Jeder nach seinem Geldbeutel und nach örtlicher Verfügbarkeit eben auch Supermarkt Bio. Es nicht zu tun, weil es auch hier Betrüger gibt, ist das falsche Signal und ein gern benutztes, aber auch fadenscheiniges Argument derer, die ihr Geld lieber für alltäglichen Schnickschnack ausgeben.

  • D
    D.J.

    @Peter A. Weber,

     

    "bei diesen galoppierenden Lebensmittelskandalen"

     

    Genau, die Leute krepieren ja wie die Fliegen (O.K., bei den Biosprossen tatsächlich). Aber nun mal ernsthaft: Glauben Sie wirklich, viele dieser Dinge sind nicht auch ein Produkt medialer Hysterie? Klar ist falsch deklarierte Ware ein Problem, aber hätte das noch vor einigen Jahren - formulieren wir es mal positiv als eine Zeit einer weniger sensibilisierten Öffentlichkeit - mehr hervorgerufen als eine Kurzmeldung in der Presse? Meine Güte, früher krepierten die Leute jämmerlich an Mutterkornvergiftung oder an verdorbenen Lebensmitteln und wir tun so, als ob die moderne Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie unser aller Untergang wäre. Sorry, aber ich empfinde das manchmal wirklich als Wohlstandssorgen.

  • V
    vic

    Genau - mehr Kontrollen, mehr Strafen, das ganze finanziert durch noch höhere Steuern, die natürlich "die Reichen" bezahlen sollen. Gähn! Ein zu 100% vorhersehbarer, langweiliger Beitrag. Wenig zielführend, null konstruktiv, das immer gleiche lahme Genöle - taz eben.

     

    Wer soll unter diesem vorgeschlagenen Klima des Hasses denn noch Lebensmittel produzieren? Gute, brave bauern von nebenan? Wie romantisch! Oder der Staat? Genau, hat ja in Nazi-Deutschland und in Nord-Korea auch schon so gut geklappt.

     

    Taz wird echt immer langweiliger und vorhersehbarer.

  • S
    Synoptiker

    Schön formuliert"Die Kontrollen haben versagt", die privatisierte Versorgung hat versagt! Es ist zum Kotzen, da wird die ganze Menschheit auf Konsum getrimmt und was nicht funktioniert, ist der Markt!

    Ohne staatliche Kontrollen geht es nicht, zu viele Handelsabläufe sind nicht strafbewehrt. Das muss sich ändern und mehr Kontrolleure müssen her. Und zentral gesteuert muss das System werden, da hat Jost Maurin recht.

  • PA
    Peter A. Weber

    Bei diesen galoppierenden Lebensmittelskandalen rufen alle vom Verbraucher bis zu den Medien und der Politik reflexartig nach verstärkten Kontrollen. Dies ist einerseits auch eine sinnvolle Forderung, denn die Kontrollbehörden sind hoffnungslos unterbesetzt. Außerdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß an der einen oder anderen Stelle auch der politische Nachdruck fehlt und manchmal ein oder sogar zwei Augen zugedrückt werden.

     

    Übersehen wird jedoch fast durch die Bank weg, daß die wirklichen Ursachen für die Miseren in unserer neoliberalen und radikal-marktwirtschaftlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu suchen sind - sie ergo systemimmanent einzustufen sind. Solange an dieser Basis nicht gerüttelt wird, werden uns die Skandale noch bis zum St. Nimmerleinstag überrollen.

     

    Andererseits kann die Nahrungsmittelindustrie mit politischer Rückendeckung schalten und walten, wie sie will - und speziell die Landwirtschaftsindustrie wird mit Subventionen überschüttet und in ihrer Existenzform nicht hinterfragt. Der Lobbyismus schlägt dabei Purzelbäume.

     

    Wir brauchen daher nicht nur striktere Kontrollen sondern vor allem auch eine andere Landwirtschaftspolitik mit einer völlig neu formulierten Subventionsausrichtung. Dazu ist eine strenge Gesetzgebung erforderlich, die Verbraucher-, Tierschutz-, Ökologie- und Gesundheitsaspekte als vorrangig einordnet und Profitinteressen ins zweite Glied verbannt.

  • S
    spiritofbee

    Nicht die Kontrollen haben versagt, sondern die Menschen dahinter. Solange die Gier versucht unser Hirn vor dem Magen satt zu machen, wird uns dies immer wieder passieren. Soviel Kontrolle kann es gar nicht geben. Es liegt im System begraben.

    Scheinbar sind wir doch zu blöd......