Kommentar Bildungspaket: Seltsame Prioritäten

Es ist überfällig, dass der Bund die Bafög-Finanzierung übernimmt. Doch die Investition ist längst nicht so kühn, wie die Koalition behauptet.

Schlaue Kinder sind ja unsere Zukunft! Bild: dpa

In kaum einem Politikfeld ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit so grotesk wie in der Bildungspolitik. Kanzlerin Angela Merkel rief persönlich die „Bildungsrepublik Deutschland“ aus. Unions- und SPD-Politiker sind sich einig, dass es nichts Wichtigeres gebe als gut finanzierte Kitas, Schulen und Universitäten.

Schlaue Kinder sind ja unsere Zukunft! Was von solchen Versprechen übrig bleibt, zeigt das jetzt verabredete Bildungspaket der Großen Koalition.

Entscheidend ist zunächst, was das Paket nicht regelt. Union und SPD fehlt der Mut, das absurde Kooperationsverbot abzuschaffen. Egoistische Kleinstaaterei wird also auch künftig das Schulwesen regieren, arme Länder werden auch künftig ihre Schulen schlechter ausstatten müssen. Welche Bildung ein Kind genießt, hängt somit vom Zufall ab, nämlich dem Ort der Geburt.

Die sechs Milliarden Euro, die Union und SPD nun versprechen, sind schöngerechnet. Denn das Paket verschiebt Summen lediglich, statt sie aufzustocken. Zwar war überfällig, dass der Bund den Ländern die BAföG-Finanzierung abnimmt. Jugendlichen aus armen Familien ein Studium zu ermöglichen, ist eine gesamtstaatliche Aufgabe.

Investition längst nicht so kühn

Leider dürfen die Bundesländer aber in Eigenregie entscheiden, was sie mit den frei werdenden Etats anstellen. Gerade für die hoch Verschuldeten ist die Versuchung groß, Haushaltslöcher zu stopfen. Ein Effekt, der absurd wäre, ihre Schulen brauchen das Geld am dringendsten.

Die Investition ist zudem längst nicht so kühn, wie die Koalition behauptet. Ein paar Milliarden Euro mehr, das ist ein peinlicher Kleckerbetrag für die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Allein für die Rettung der Commerzbank stellte der Staat während der Finanzkrise über 16 Milliarden Euro bereit.

Die Koalition, gerade Merkels Union, lügt, wenn sie so tut, als fehle das Geld. Einerseits weigert sie sich, über eine Vermögensabgabe Millionäre stärker zu belasten. Andererseits duldet sie, dass überforderte Lehrer 30 Schüler und mehr unterrichten. Das sind seltsame Prioritäten für eine selbst ernannte Bildungsrepublik.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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