Kommentar Betreuungsgeld: Der Bayer treibt die Merkel
Angela Merkel hat sich aufgrund offener Drohungen von CSU-Chef Horst Seehofer kompromisslos auf das Betreuungsgeld festgelegt. Doch das Projekt wird an ihr kleben bleiben.
D as Betreuungsgeld entwickelt sich für die Bundeskanzlerin zu einem koalitionsinternen Sprengsatz, den sie kaum noch entschärfen kann. Und der – egal, wie ein Kompromiss am Ende aussehen wird – massiven Schaden für sie produzieren wird. Nahezu wöchentlich werden aus der Koalition neue, verzweifelte Versuche kolportiert, das Thema endlich abzuräumen und die verhärteten Fronten zwischen Befürwortern und Gegnern in den eigenen Reihen aufzulösen. Doch sie offenbaren nur blanke Ratlosigkeit. Und machen die krude Verteidigung traditioneller Mutterschaft noch dysfunktionaler, als sie sowieso schon ist.
Dass die Koalition Hartz-IV-BezieherInnen keinen Cent vom Betreuungsgeld gönnen will, ist dabei nicht mal überraschend. Arme Menschen gehören eben nicht zur umworbenen Zielgruppe dieser Koalition. Bayerische Mütter, die Kinder und Einfamilienhaus in Nürnberg hüten, dagegen schon. Zudem liegt eine Verrechnung durchaus innerhalb der Logik von Hartz IV, auch andere Leistungen für die Mittelschicht gehen an armen Menschen vorbei. Das ist gewollt. Deshalb ist es auch verlogen, dass die Hartz-Erfinder SPD und Grüne eine Verrechnung jetzt vehement geißeln.
Angela Merkel aber hat sich auf das Betreuungsgeld festgelegt. In einer kompromisslosen Art und Weise, die für die sonst tastend agierende Kanzlerin ungewöhnlich ist. Der Grund sind die offenen Drohungen von CSU-Chef Horst Seehofer, der vor einer Landtagswahl steht und sich Stimmen kaufen will. Dies allein schwächt Merkel. Sie lässt sich von dem Bayern treiben.
Und der Schaden wird mit Blick auf die Bundestagswahl noch größer: Das Betreuungsgeld kratzt an Merkels Image als Modernisiererin, ebenso konterkariert es das Bild der sauber rechnenden Pragmatikerin, die solide Haushaltspolitik hochhält. Das ist Merkels Problem: Ein Projekt, das ebenso sinnlos wie ein Steuergeschenk für Hoteliers ist, wird dieses Mal an ihr kleben bleiben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator