Betreuungsgeld und Hartz lV: Sozialleistungen sind voll abzugsfähig
Herdprämie, Kindergeld, Unterhalt und Elterngeld werden bei den ärmsten Eltern in der Regel vom Staat kassiert
BERLIN taz | Die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag Dorothee Bär ist schwanger. Die Bambergerin könnte somit Betreuungsgeld bekommen, wenn es denn im Sommer 2013 tatsächlich kommt. Solveig S. ist auch schwanger. Aber die Berlinerin dürfte nicht in den Genuss der 100 beziehungsweise 150 Euro monatlich Betreuungsgeld kommen. Denn sie lebt von Hartz IV.
Hartz-IV-EmpfängerInnen sollen die „Herdprämie“ zwar regulär erhalten, aber sie soll mit dem Regelsatz der Sozialleistung verrechnet werden. So lautet eine neue Idee im Koalitionsstreit um die Frage, wie die Betreuung kleiner Kinder organisiert werden soll: zu Hause oder in der Krippe.
Der Hartz-IV-Regelsatz beträgt für eine erwachsene Person 374 Euro. Darüber hinaus werden Wohn- und Energiekosten übernommen. Für Ehe- und LebenspartnerInnen sowie sonstige in der „Bedarfsgemeinschaft“ lebende Erwachsene gibt es jeweils 337 Euro, für Kinder bis zu 17 Jahren zwischen 219 und 287 Euro. Alleinerziehende Mütter und Väter können noch einen Zuschlag von 131 Euro bekommen. Eine Alleinerziehende mit einem 3-jährigen Kind kann also auf eine monatliche Summe von 725 Euro in bar kommen.
Zwar bekommt sie auch noch 184 Euro Kindergeld sowie den Unterhalt des Vaters – beziehungsweise den Unterhaltsvorschuss des Amtes, falls der Vater nicht zahlt. Doch Kindergeld und Unterhalt gelten als Einkommen des Kindes und werden damit umgehend beim Hartz-IV-Regelsatz wieder abgezogen – so wie künftig das Betreuungsgeld. So erhält die kleine Familie genau jene Summe, die ihr auch ohne die „Zusatzleistungen“ zusteht.
Theoretisch kann die Mutter die Lage durch Zuverdienste verbessern. Doch schon Einkommen von mehr als 100 Euro werden auf die Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft angerechnet. Der Satz wird also entsprechend gekürzt. Selbst Geldgeschenke von über 50 Euro im Jahr gelten grundsätzlich als Einkommen und führen so zu Kürzungen. Ausnahmen gelten nur für zweckgebundene Geschenke, etwa für ein Kinderfahrrad, dann darf der Satz höher liegen.
Seit Januar 2011 bekommen Hartz-IV-EmpfängerInnen auch kein Elterngeld mehr. Bis dahin konnten sie maximal 300 Euro monatlich Elterngeld beantragen, höchstens aber 14 Monate. Das Elterngeld wurde für Hartz-IV-EmpfängerInnen mit der Begründung gestrichen, es handle sich hierbei um eine Lohnersatzleistung und Hartz-IV-EmpfängerInnen leisten keine reguläre Erwerbsarbeit.
Leser*innenkommentare
Boris Iko
Gast
Interessant ist doch aber, dass die Bezieher dazu gezwungen werden, alle Leistungen zu beantragen, ohne dadurch auch nur einen Euro mehr zu haben. Hauptsache das Jugendamt, das Wohnungsamt und noch viele andere Ämter sind beschäftigt. Alle Anträge werden halbjährlich neu bearbeitet. Also für den zahlenden Staat insgesamt kein einziger Euro mehr für die Bezieher. Nur viel, viel bezahlte "Arbeit" für den Verwaltungsstaat. Bald kommt die wöchentlich zu beantragende Staats-Gedächtnispauschale, die natürlich wieder abgezogen wird.
Brockenfee
Gast
Noch anzumerken wäre, dass keine Energiekosten übernommen werden sondern nur "angemessene" Heiz- und Nebenkosten. Strom ist im Regelsatz enthalten.
Horst
Gast
@Manfred
Nein, das Betreuungsgeld müsste nicht als Einkommen versteuert werden, da nur diejenigen Einkünfte, die explizit unter eine der sieben Einkunftsarten des EStG fallen, der Einkommensteuer unterliegen. Das SGB sieht eine breitere Bemessungsgrundlage vor, hier ist nahezu alles Einkommen, was an Geld zufliesst. Dies ist auch sachlich gerechtfertigt, da ja auch das ALG II (also HartzIV) nicht der Einkommensteuer unterliegt, es fällt ja ebenso wie das Betreuungsgeld unter keine der Einkunftarten. Also auch wenn das für Linke, die mit dem Geld fremder Leute ja immer sehr freigiebig umgehen und jeden mit allem beschenken wollen, schwer zu begreifen ist, macht diese Regelung tatsächlich ansatzweise Sinn.
manfred (60)
Gast
Mir ist da eine Frage eingefallen: Wie uns Herr Dobrind im TV wissen lies, müsse die Herdprämie bei den HartzIV-Empfängern deshalb angerechnet werden, weil es sich um Einkommen handele. Heißt das, daß Besserverdiener, die dieses "Betreuungsgeld" in Anspruch nehmen, dieses dann auch als Einkommen versteuern müssen?
Juergen K.
Gast
EVS 2008
Paare mit Kind(ern) Seite 146
(Einkommen NETTO) (Anzahl Haushalte in BRD in Tausend) (durchschnittliches Hartz in Euro)
900-1300 - 62 - 553
1300-1500 - 82 - 497
1500-2000 - 386 - 416
2000-2600 - 648 - 133
2600-3600 -1509 - 23
Hier geht es nicht um die Armenhaushalte,
hier geht es um die Mittelschicht, der das Betreuungsgeld vorenthalten werden soll.
Zusammen grob 2,5 Millionen Haushalten.
Ähnich sieht es bei den Singlehaushalten mit Kind(ern) aus.
Da reicht die Spanne der Einkommen
bis hinauf zu 2600 NETTO,
welche davon betroffen sind.
Zusammen auch mehr als 1 Mio Haushalte.
Praktisch profitieren nur noch 400 Tausen Singlehaushalte mit Einkommen über 2600 NETTO
und 4,5 Mio Paarhaushalte mit Einkommen über 2600 Euro NETTO.
(nach den daten der EVS 2008)
manfred (60)
Gast
Kurz: Es handelt sich um einen Griff in die Steuerkasse zum Wohle der notleidenden Besserverdienenden mit dem Ziel, das Familienmodell "...und drinnen waltet die züchtige Hausfrau..." zu zementieren.
Zwar bin ich nicht von HartzIV betroffen, dennoch zwei Anmerkungen zum Artikel:
"Zwar bekommt sie auch noch 184 Euro Kindergeld sowie den Unterhalt des Vaters – beziehungsweise den Unterhaltsvorschuss des Amtes, falls der Vater nicht zahlt."
Und was ist, wenn, wie für meinen Sohn, die Mutter nicht zahlt?
"Theoretisch kann die Mutter die Lage durch Zuverdienste verbessern."
Für Väter gilt das nicht?
Koppentz, Mario
Gast
Ich werde den Verdacht nicht los, das es irgenntwie gewollt ist, das soviele Menschen auf einem so niedrigen, finanzielen Niveau leben müßen.
Beste Grüße, Mario
Peter Adam
Gast
Wann werden die gelben Sterne mit einem fetten, schwarzen "H" an ALG2-Bezieher ausgegeben??
Faschistisches Gedankengut scheint heutzutage in der Politik salonfähig zu sein. Und die deutschen Volkszertreter schämen sich nicht, selbst große Teile des eigenen Volkes jeglicher Art von Herabsetzung der Menschenwürde und medialen Hetzjagden auszusetzen.
Fehlen nur die von " anständigen " Deutschen bewchten Ghettos und unentgeltliche Zwangsarbeit. ine Art von Reichsarbeitsdienst gibt es ja schon in Form von 1-Euro-Jobs.
Das Leben in diesem Land ist nicht mehr lebenswert, wenn man sieht wie ständig die Grundwerte jeglicher Zivilisation und sozialen Zusammenlebens mit blankpolierten Politike-und Bankerschuhen getreten werden.
endlich
Gast
liebe frau schmollack,
danke, dass das sie das nun mal geschrieben haben!
zu bemerken wäre noch, dass die eltern dennoch verpflichtet sind, alle diese möglichen, aber in der summe nichts bringenden leistungen zu beantragen - z.B. auch wohngeld für die kinder!
können sie sich vorstellen, dass man dann aus diesem ämterkreislauf gar nicht mehr raus kann? man kommt ja zu nichts, als ständig an die fristen zu denken und anträge einzureichen etc. (ich weiß, dass ist kaum vorstellbar für nicht-bezieher).
betreuungsgeld für alg-II-bezieher: mehr bürokratie für gleichwenig geld. dafür einen neuen kürzungsgrund, falls nicht beantragt bringt, was sowieso nichts bringt außer stress ;-)
robbyy
Gast
Wetten dass...
die Hartz4ler, die ihre Kinder in die Betreuung schicken noch bestraft werden und das Geld abgezogen bekommen, weil sie nicht arbeiten und gerade deshalb ihre Kinder zuhause erziehen könnten…
Also sein Quasi-Einkommen.....
Mein Fazit: Die Teilung der Gesellschaft schreitet voran. Wer keine Lobby hat kriegt nichts ab. Wer Einfluss hat sichert sich diesen mit seinen Ellenbogen