piwik no script img

Kommentar Beschleunigte AsylverfahrenTollkühne Turbo-Pläne

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Pläne für das beschleunigte Asylverfahren stoßen zu Recht auf heftige Kritik. Die Leidtragenden wären traumatisierte Flüchtlinge.

Warten in der Kälte: Flüchtlinge vor dem Berliner Lageso Foto: dpa

S eit Monaten verhandeln Union und SPD über ein zweites Asylpaket. Ein wichtiges Element ist dabei die Einführung beschleunigter Asylverfahren. Die Prüfung von Asylanträgen soll binnen einer Woche abgeschlossen sein, wenn der Antragsteller aus einem „sicheren Herkunftsstaat“ stammt, einen Folgeantrag gestellt hat oder verdächtigt wird, seine Papiere beseitigt zu haben.

Pro Asyl und andere Menschenrechtsorganisationen kritisieren den Plan. Binnen einer Woche sei keine faire Prüfung der Fluchtgründe möglich. Vor allem traumatisierte Flüchtlinge seien nach einer Woche nicht stabil genug für ein Asylverfahren.

Die Kritiker nehmen den Plan der Koalition offensichtlich ernst. Selbstverständlich ist das freilich nicht. Denn wie oft schon haben die Regierungsparteien beschleunigte Asylverfahren angekündigt? Und wie oft haben sie die Ankündigung kleinlaut wieder zurückgezogen?

Angesichts der realen Bedingungen wirkt das Vorhaben auch reichlich tollkühn. So sitzt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) derzeit auf hunderttausenden von unerledigten Asylanträgen. Zudem soll für die große Gruppe der syrischen Antragsteller jetzt wieder die Einzelfallprüfung eingeführt werden, was zu massiven Verzögerungen führen wird.

Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer eines Asylantrags beträgt derzeit rund fünf Monate – wobei die meisten Flüchtlinge mehrere Monate warten müssen, bis sie überhaupt einen Antrag stellen können. In Nordrhein-Westfalen klagen jetzt hunderte von Flüchtlingen vor Gericht, damit ihre Anträge endlich entschieden werden. Vor diesem Hintergrund werden die neuen Schnellverfahren sicher kein Standard werden - wenn die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland ähnlich hoch bleibt wie derzeit.

Zugang zu allen Antragsstellern

Grundsätzlich ist der Hinweis richtig, dass traumatisierte Flüchtlinge bei Schnellverfahren unter die Räder kommen könnten, weil sie oft nicht in der Lage sind, die relevanten Fragen zu beantworten oder von sich aus über schreckliche Erlebnisse zu sprechen. Die Antwort kann aber nicht heißen, dass Asylverfahren für alle Antragsteller künstlich verlängert werden müssen.

Vielmehr ist das Asylverfahren so zu organisieren, dass Verfahrensberater der Kirchen und Wohlfahrtsverbände frühzeitig Zugang zu allen Antragsstellern haben. Erfahrene Berater können dann erkennen, welche Flüchtlinge mehr Zeit brauchen und sollten ein entschleunigtes Verfahren verlangen können. Außerdem ist potenziell traumatisierten Antragstellern bei der Anhörung eine Begleitperson, eventuell auch ein Anwalt zur Seite zu stellen.

Noch ist allerdings offen, ob das „Asylpaket II“ in der geplanten Form überhaupt kommt. Die österreichische Diskussion um Obergrenzen könnte auch in Deutschland Folgen haben. Im Mittelpunkt stünde dann nicht mehr die Beschleunigung von Asylverfahren, sondern deren Verlagerung in andere Staaten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • "…Die Kritiker nehmen den Plan der Koalition offensichtlich ernst. Selbstverständlich ist das freilich nicht. Denn wie oft schon haben die Regierungsparteien beschleunigte Asylverfahren angekündigt? Und wie oft haben sie die Ankündigung kleinlaut wieder zurückgezogen?…"

     

    Ach - Herr Rath -

    Principis obsta!

    Wehret den Anfängen &

    Immer auf Höhe des Balles!

    Das - Ist gerade derzeit mehr als Angesagt.

     

    Nix gegen nen kühlen Kopf dabei.

    Zu Ihrem mir nicht nachvollziehbaren

    allfälligen Abwiegeln mal soviel:

    Zur Tagungsvorbereitung mach ich mal wieder darin schlau.

    Als vielfältiges&jahrelang

    Asylbefaßtes - aber ab 1999 - auf

    Aussiedler beschränktes - & Rentier;

    Habe ich gerade noch bei der

    eloquent-vorgetragenen

    Schilderung eines versierten

    Anwalts der aktuellen

    Rechtssituation - ne gute Stunde lang

    Nur Bahn-Hof-Bratkartoffel -

    Verstanden.

     

    So viel zu den von Ihnen hier erneut bagatellisierten

    Veränderungen - den

    Vergangen-aktuellen wie derzeit vehement

    Anvisierten.

     

    Die Mühen der Ebene -

    Der Edlen wert - & den Betroffenen geschuldet. Ja.

    kurz - Einfach mal runter vom Balkon!

    Danke.

     

    & nochens -

    Mit dieser Einschätzung steh ich -

    Seit längerem wahrlich - nicht allein.

    EndeGelände.

    • @Lowandorder:

      Mit Papa Hem

      (Männer ohne Frauen;)

      Könnte frauman auch &

      Nur wenig boshaft sagen -

      "Journalismus ist leicht - "

      " Sie könns ja mal mit Recherche -

      Versuchen!"