piwik no script img

Kommentar BerlusconiKein Knast, keine Koalition

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Auch das aktuelle Abhör-Urteil wird Berlusconi nicht ins Gefängnis bringen. Politisch ist er aber isolierter denn je – und weitere Prozesse stehen an.

E in Jahr Haft für Silvio Berlusconi, weil er sich illegal ein Abhör-Tape über politische Gegner verschaffte, und gleich zwei Jahre und drei Monate für seinen Bruder Paolo: So das Urteil eines Mailänder Gerichts am Donnerstag. Ja und?, ist man versucht zu sagen. Der Weg bis zum endgültigen Spruch ist sehr lang, Berlusconi wurde noch nie in letzter Instanz verurteilt. Hinzu kommt, dass seine Kernwählerschaft völlig immunisiert ist; die Wahlen haben das erneut bewiesen.

Und doch hat dieses Urteil Folgen. In den nächsten Wochen werden sich die Justiznachrichten über den ewig Straflosen kräftig häufen. Die Urteile im Ruby-Prozess sowie in einem Prozess wegen Steuerhinterziehung stehen an, dazu kommt die Aufnahme eines Verfahrens, weil Berlusconi in den Jahren 2006–2008 Millionen ausgegeben haben soll, um Parlamentarier des gegnerischen Lagers abzuwerben.

Konsequenzen hat das vor allem in der verfahrenen politischen Situation. Berlusconi träumt weiter von einem Kompromiss mit dem gemäßigt linken Partito Democratico (PD): Diesen Kompromiss wird er nicht bekommen.

Bild: Christian Jungeblodt
Michael Braun

ist Italienkorrespondent der taz und lebt in Rom.

Denn nach dem Boom Beppe Grillos würde es die PD schier zerreißen, wenn sie auch nur die kleinste Absprache mit der Berlusconi-Rechten träfe. Das gilt erst recht, weil das gerade gefällte Urteil genauso wie die jetzt anstehenden Verfahren eines klar zeigen: Berlusconi spielt foul, wann immer er kann. Selbst eine „Technikerregierung“, getragen von links und rechts, so wie zuletzt die Regierung Monti, scheidet damit aus.

So hat das Urteil von Mailand direkten Einfluss auf die (un-)möglichen Lösungen für das Patt im Parlament. Der PD bleibt nur der Weg, bei Grillo um Unterstützung zu buhlen. Doch da Grillo diese Lösung vorerst ausschließt, bringt auch der Richterspruch von Mailand Italien raschen Neuwahlen ein gutes Stück näher.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • A
    Alba

    Ich fuerchte auch, dass wir bald wieder Neuwahlen haben werden. Noch mehr fuerchte ich, dass die von Berlusconi gewonnen werden koennte: nachdem er bei den letzten Wahlen als totaler outsider ins Rennen gegangen ist und dann dem Partito Democratico das Leben doch unglaublich schwer gemacht hat. Oder sollte man lieber sagen der Partito Democratico hat sich das Leben schwer machen lasse. Manchmal hat man den Eindruck die Partei hat eine Neigung zum Suizid.

     

    Ich glaube nicht, dass wir durch Neuwahlen klarere Verhaeltnisse bekommen, meines Erachtens werden Grillo un Berlusconi weiter zulegen und damit gibt es dann ein Patt auf der anderen Seite. Aber natuerlich hat B. ausreichend Geld, um sich eventuell die notwendigen Grilloparlamentarier und Grillosenatoren zu kaufen. Und Hemmungen muss man bei ihm ja nicht befurchten.