Kommentar Bayer übernimmt Monsanto: Unselige Tradition
Jetzt wird es amtlich: Bayer schluckt den Glyphosat-Hersteller Monsanto – und tilgt dessen Namen. Ein verhängnisvoller Fehler.
Z wei Jahre hat es gedauert, doch an diesem Donnerstag wird die größte Übernahme abgeschlossen, die je ein deutscher Konzern stemmte: Für 56 Milliarden Euro schluckt Bayer den US-Saatguthersteller Monsanto – der Chemie- und Pharmariese wird zum weltgrößten Anbieter von Saatgut und Pestiziden.
Eigentum verpflichtet. Deshalb erwerben die Leverkusener mit dem Glyphosat-Produzenten auch Verantwortung für die Nahrung unserer Welt. Verantwortung für das Mittagessen von Milliarden Menschen, für Hunderttausende Bauern, für Millionen Hektar Ackerfläche. Nicht zu vergessen: Verantwortung für 20.000 Monsanto-Mitarbeiter.
Höchst fraglich, ob sie bei Bayer in guten Händen ist. Gleich zu Beginn sagte Vorstandschef Werner Baumann zwar, sein Konzern wolle die „höchsten ethischen, ökologischen und sozialen Standards einhalten“. Er beging aber auch einen kapitalen Fehler.
Baumann versucht, die Geschichte glatt zu bügeln, indem er die Marke Monsanto tilgen will. Die Vergangenheit tilgen, das hat unselige Tradition bei Bayer: Der Konzern ist Keimzelle und Überbleibsel der IG Farben, eines 1925 gegründeten riesigen Chemiekonzerns, der sich später eng mit dem Nazi-Regime verbündete. Nach dem Krieg wurden die IG Farben aufgelöst. Und firmierten wieder wie zuvor als BASF, Hoechst oder eben Bayer – auch ein Versuch, die Erinnerungen an todbringendes Zyklon B, an abertausende Zwangsarbeiter oder an die Kumpanei der Firmenchefs mit der NSDAP vergessen zu machen.
Namen sind nicht nur PR-Geklingel
Das Monsanto-Management hatte schon selbst darüber nachgedacht, den Konzernnamen zu ändern, um das ramponierte Image des Unternehmens zu verbessern. Und sich aus gutem Grund dagegen entschieden. Es geht beim Namen ja nicht nur um PR-Geklingel, sondern auch um eine Botschaft. Namen weg, Probleme weg? Baumanns Löschaktion ist wohl das Gegenteil von verantwortungsvollem Handeln, der Essenz des Unternehmerdaseins.
Eins muss für Bayer jetzt klar sein: Der Konzern mag sich nach dem Krieg nicht für seine Zwangsarbeiter interessiert haben. Heute läuft das so nicht mehr. Trotz Tilgung des Namens trägt der Dax-Konzern künftig auch die Sünden Monsantos mit: Die Geschichte der Firma aus St. Louis, die zuerst Anfang des vergangenen Jahrhunderts den Süßmacher Saccharin verkaufte, ist voller Leichen. Null Verantwortung.
Es geht dabei um das krebserregende Insektizid DDT, den ebenfalls krebserregenden Weichmacher PCB, das im Vietnamkrieg von den USA eingesetzte Entlaubungsmittel „Agent Orange“ – oder eines Tages vielleicht auch um die Folgen des hierzulande verbotenen Genmais' Mon810.
Und jetzt kommt's: Glyphosat darf weiter so heißen, auch unter Bayer-Ägide. Zwar ist das Unkrautvernichtungsmittel möglicherweise krebserregend und artengefährdend – viele Studien sprechen dafür – aber auch ein globaler Kassenschlager.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Hamburg und die Kühne-Oper
Als das Wünschen noch geholfen hat