Kommentar BND-Spionage: Schnüffeln richtet Schaden an
Der Bundesnachrichtendienst ist kein Opfer der NSA. Im Gegenteil: Er versucht dem US-Geheimdienst nachzueifern. Das wird Konsequenzen haben.
D ie Empörung in der Öffentlichkeit war groß, als im vergangenen Herbst die Überwachung des Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel bekannt wurde. Markante Worte („Geht gar nicht!“) wurden gewechselt. Die Spähaffäre war letztlich der Anlass, dass im Bundestag der NSA-Untersuchungsausschuss eingerichtet wurde.
Hellsichtige CDU-Abgeordnete befürchteten schon damals, dass in diesem Ausschuss am Ende vor allem die deutschen Geheimdienste am Pranger stehen würden. Wenn Whistleblower Edward Snowden nicht komme und die Amerikaner nichts sagten, dann werde sich die Opposition eben an die halten, die Auskunft geben müssen: an Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz.
Nun wird es wohl so kommen, aber mit anderem Schwerpunkt. In den nächsten Wochen wird es weniger um die Kontakte der deutschen Dienste zur NSA gehen. Vielmehr wird die eigene Spionagetätigkeit des BND im Mittelpunkt stehen. Wer sind die „Freunde“ Deutschlands, und wer wird wie ausspioniert? Der vollmundige Satz Merkels fällt ihr nun auf die Füße. Vermutlich wird es neben dem Nato-Land Türkei noch mehr Staaten geben, die sich über die intensive BND-Ausspähung wundern. Allerdings, daran ist immer wieder zu erinnern, hat Ed Snowden seine Enthüllungen nicht gemacht, um Spionage zwischen den Staaten anzuprangern. Die hält er für normal. Was ihn empört, ist die Datensammlung über alle und jeden, über die Massenüberwachung ganzer Bevölkerungen.
Und hier ist der deutsche Bundesnachrichtendienst leider kein Gegenmodell zur NSA, sondern er versucht, dem US-Dienst immer mehr nachzueifern. Der Telefon- und der Mailverkehr in Afghanistan und Nahost werden mit deutscher Technik wohl flächendeckend überwacht. Kein Wunder, dass dann ab und zu auch umherreisende US-Politiker erwischt werden. Die Erfassung der Außenminister Hillary Clinton und John Kerry ist also nicht das eigentliche Problem, sondern nur ein Symptom der globalen Schnüffeltätigkeit des deutschen Geheimdienstes.
Die NSA-Affäre hat gezeigt, wie man mit überzogener Schnüffelei außenpolitischen Schaden anrichtet, der in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Deutschland sollte daraus nun dringend Lehren ziehen. Die bequeme Rolle des NSA-Opfers gehört der Vergangenheit an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
James Bond
Schluss mit Empfindsamkeit und Selbstzweifeln!
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach