Kommentar BAMF und Balkan-Flüchtlinge: Abschreckung für Ausgegrenzte
Das BAMF warnt im Westbalkan vor der Asylsuche in Deutschland, obwohl inzwischen weniger flüchten. Betroffen sind nun vor allem Roma.
E igentlich rennt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Ländern wie Mazedonien, Albanien, Kosovo und Montenegro offene Türen ein, wenn es jetzt in Anzeigen vor Ort darauf hinweist, dass es für Balkanleute kaum Sinn ergibt, nach Deutschland zu fliehen. Die Asylanträge würden ja ohnehin abgelehnt.
Das hat sich inzwischen vor Ort längst herumgesprochen. Seit März ist die Fluchtwelle aus dem Kosovo signifikant zusammengeschrumpft. In Nordalbanien sind zwar immer noch Schlepper aktiv, die den Leuten Manna vom Himmel versprechen, wenn sie sich auf den Weg nach Deutschland machen. Doch auch dort ist bekannt geworden, dass viele der zurückgekehrten Flüchtlinge aus dem Kosovo nun ärmer dran sind als zuvor.
Diese Fluchtwelle hat ihren Höhepunkt längst überschritten. Aus Bosnien und Serbien war sie ohnehin nicht besonders hoch. Den meisten Flüchtlingen ging es nicht um ein Taschengeld und um Rumhängerei in Flüchtlingsheimen, die Leute hatten die Hoffnung, Arbeit und eine Perspektive für sich und ihre Kinder zu finden. Dafür gibt es keine Aussicht. Das macht das Bundesamt im Namen der Bundesrepublik Deutschland jetzt allen klar.
Wenn das Bundesamt aber jetzt die Kürzung der Taschengelder und Wiedereinreisesperren für Asylbewerber in Erwägung zieht, dann zielt das nicht auf alle Flüchtlinge, sondern vor allem auf die Roma, die angesichts ihrer Ausgrenzung aus den Gesellschaften des Balkans jeden Strohhalm ergreifen, um überleben zu können.
Das Taschengeld eines Asylbewerbers hilft den Familien am Ursprungsort, wenigstens nicht zu verhungern, Roma sind es, die nach der Ausweisung alles versuchen, um wieder einzureisen.
Man sollte im Bundesamt wenigstens Ross und Reiter nennen und nicht pauschal die Flüchtlingsgefahr aus dem Balkan beschwören. In diesem Fall müsste das Bundesamt konstruktiv über eine deutsche Roma- und Einwanderungspolitik nachdenken. Aber das ist wohl zu viel verlangt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Aufregung um Star des FC Liverpool
Ene, mene, Ökumene