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Kommentar AtomexporteRückkehr der lebenden Toten

Tarik Ahmia
Kommentar von Tarik Ahmia

Unter der schwarz-gelben Bundesregierung kehren politische Todsünden zurück: die Absicherung von Exporten für Atomtechnik mit Hermes-Bürgschaften.

D ie schwarz-gelbe Bundesregierung gibt immer wieder Anlass für cineastische Déjà-vus - in der Regel leider solche aus Zombie-Filmen. Denn in dieser Ära der politischen Regression kehren längst überwunden geglaubte, politische Todsünden zurück: Die anstehende staatliche Absicherung von Exporten für Atomtechnik ist das neueste Beispiel.

In Zukunft soll mit deutschen Steuergeldern weltweit der Neubau von Atomkraftwerken gefördert werden. Dabei hat spätestens das Trauma von Tschernobyl nachhaltig dafür gesorgt, dass die meisten Deutschen ein Ende der Atomenergie befürworten. Doch allen erwiesenen Gefahren und ungelösten Problemen dieser Technologie zum Trotz sollen deutsche Steuerzahler die Milliardengewinne des Großkonzerns Siemens mit Hermes-Exportbürgschaften absichern.

Angesichts dieser Entwicklung könnte man den rot-grünen Atomausstieg schon fast als zivilisatorischen Fortschritt verklären; denn ihm wohnt die Einsicht inne, dass man einige Dinge einfach nicht tut - selbst wenn sie der Wirtschaft nützen.

Bild: taz

Tarik Ahmia ist Redakteur der taz im Ressort Ökologie und Wirtschaft.

Doch wir leben in Zeiten, in denen die Anti-Marx-Brothers der FDP keine Tabus mehr kennen: Die Atomkraft kehrt zurück. Steuern werden gesenkt, während die öffentliche Hand ausblutet. Und schon bald werden die Reste des solidarischen Gesundheitssystems geschleift.

Dabei war auch die CDU schon einmal weiter. Erst vor einem halben Jahr lehnte sie es ab, Hermes-Bürgschaften für den türkischen Ilisu-Megastaudamm zu bewilligen: Weil das Projekt eklatant gegen Menschenrechte verstößt und die Umwelt zerstört, kam ein Milliardengeschäft für deutsche Firmen nicht zustande. Es wäre schön, wenn sich Kanzlerin Merkel daran erinnerte.

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9 Kommentare

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  • LN
    Lucie Nemecky

    Wer die Erderwärmung begrenzen will, muß Atomkraftwerke abschalten, auch weil sie via Kühlwasser Flüsse und Umgebung aufheizen und selbst im sogenannten Normalbetrieb Radioaktivität emittieren (das heißt: abstrahlen).

     

    Die Atomwirtschaft ist eine Branche, bei der trotz Privatisierung in realsozialistischer Manier immer noch der Staat haftet, falls etwas schief geht. Sie steht völlig ungerechtfertigt im Ruf, billigen Strom zu produzieren. Die externen Kostenfaktoren bei der Erzeugung von Kernkraftstrom hat, unter Helmut Kohl, das damalige Bundeswirtschaftsministerium 1992 durch die renommierte Baseler PROGNOS AG berechnen lassen. Diese Studie der PROGNOS AG trägt den Titel: "Identifizierung und Internalisierung der externen Kosten der Energieversorgung." Aus ihr geht hervor, daß bei Berücksichtigung der externen Gesamtkosten der wirkliche für die deutsche Volkswirtschaft entstehende Preis einer Kilowattstunde Kernkraftstrom schon damals circa 4 DM betragen hat. Das wären heute circa 2 €. Die günstigen Produktionskosten für Ökostrom betragen bei Windkraftstrom 0,06 Euro pro Kilowattstunde. Der Höchstpreis für solaren Ökostrom beträgt inklusive 19 % Mehrwertsteuer aktuell 0,68 Euro. Wenn aber der Kernkraftstrom mindestens doppelt so viel kostet wie die erneuerbaren Energien, warum, in Himmels Namen, sollen wir uns dann diese ganze entsetzliche Umweltproblematik (Tschernobyl!) der Kernenergie weiterhin "ans Bein binden"?!

  • V
    vic

    @ Michael Beczkowiak

     

    Vielen Dank für die Belehrung.

    Trotzdem werde ich versuchen, künftig ohne ihre Hilfe klarzukommen.

  • F
    FRITZ

    Ich bin kein Lobbyist. Ich habe eine unbezahlte und unbezahlbare Meinung.

     

    I.Ü. ist nicht alles, was Lobbyisten vertreten, falsch. Es gibt ja bspw. auch eine Öko-Lobby, die viel richtiges (und viel Quatsch) fordert.

  • E
    elmar

    Die TAZ darf sich ob der besonderen Aufmerksamkeit von Lobbyisten des Siemens-Konzerns geehrt fühlen.

  • MB
    Michael Beczkowiak

    @vic:

    Man nennt das auch Demokratie. Es ist bei einer Mehrheitsentscheidung eigentlich immer so, dass der kleinere Teil der Befragten nicht zufrieden ist. Wenn Sie jetzt mal dazugehören, jammern Sie nicht, sondern engagieren Sie sich politisch.

    Das mag Ihnen dann auch noch Einsichten in technische und politische Notwendigkeiten verschaffen.

  • I
    Ingenieur

    Bisher hat der Steuerzahler für die Hermesbürgschaften für kerntechnische Exporte immer nur verdient und nie draufgezahlt. Durch die Verweigerung von Rot-Grün Hermes-Bürgschaften für kerntechnische Exporte zuzulassen wurden auch mögliche sicherheitsverbessernde Exporte Deutscher Technik für ausländische KKW unmöglich.

    Das soll sich nun ändern.

  • H
    hessebub

    CDU/FDP werden das Unmögliche schaffen - dass man sich Schröder zurückwünscht

  • V
    vic

    Man sollte meinen, wer die gewählt hat weiß er tut.

    Sollte es möglich sein, dass sich so viele verarschen lassen, oder ist diesen Wählern wirklich alles egal?

    Ich werde zwangsregiert von Parteien die ich ablehne. Das ist frustrierend und höchst ärgerlich.

  • F
    FRITZ

    So stellt sich der provinzielle LiLaLaune-Linke die Welt vor: deutscher Strom kommt aus der Steckdose und dorthin kommt er durch Wind, Sonne, Wasser und aus Kuhärschen. Das ist alles schön und gut, aber bis das alles reicht, bei wachsendem Bedarf (Elektroautos!), werden wir für die Grundlast mindestens noch 20, 30 Jahre, eher länger, Atom,- Kohle- und Gasstrom brauchen. So einfach ist das. Wenn das Kraftwerk nicht mehr in Deutschland steht, dann halt an der deutsch-polnischen/französischen/etc. Grenze, und zwar auf der anderen Seite. Dort freut man sich über die Doofis aus Deutschland, die einem Arbeitsplätze und Steuereinnahmen aus Deutschland weg und vor die eigene polnische/französische/etc. Tür ideologisiert haben.

    Da kann man es doch nur begrüßen, wenn wenigstens deutsche Technikkonzerne noch am Technikexport verdienen dürfen, damit in diesem Land weiterhin ein solidarisches Gesundheitssystem, kommunale Leistungen und die Ökostromsubventionierung finanziert werden können, deren vermeintlich bevorstehende Totaldemontage Herr Ahmia ja auch nicht so toll findet. Das alles kostet nämlich Geld. Und Geld muss man am Markt verdienen, auch wenn es manchem schwer fällt, das zu akzeptieren. Man kann es natürlich auch enteignen, bspw. durch höhere Steuern für sog. "Reiche", das ist ja immer das linke Allheilmittel seit Sherwood Forrest anno 1100. Das wird aber nur dazu führen, dass diese "Reichen" den Atomkraftwerken folgen und sich halt woanders ansiedeln. Und dann schreibt Herr Ahmia wohl in diesem Käsblättchen, dass wir jetzt mal an den Bau einer Mauer um Deutschland herum denken sollten, damit wir weiterhin ein solidarisches Gesundheitssystem finanzieren können, wenn auch auf dem medizinischen Stand von 1850, aber immerhin solidarisch, weil die ganzen Ausbeuter und Klassenfeinde plötzlich wegziehen.

     

    Er springt halt gern ein bisserl kurz, der gemeine linke Dummbatz!