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Kommentar AsylrechtsverschärfungPustekuchen

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Die Große Koalition will Asylverfahren binnen drei Wochen erledigen. Doch sie macht ihre Rechnung ohne die zuständige Behörde.

Ein syrisches Flüchtlingskind spielt Bundesregierung Foto: dpa

A nfang November haben sich die Parteivorsitzenden der großen Koalition auf ein neues Paket von Verschärfungen im Asylrecht geeinigt. Jetzt hat das Innenministerium einen ersten Gesetzesentwurf vorgelegt. Im Kern geht es um beschleunigte Asylverfahren, aber vermutlich wird dieser Plan an der Überlastung der Behörden scheitern.

Neu eingeführt wird vor allem ein „beschleunigtes Verfahren“, bei dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über Asylanträge mit geringen Erfolgsaussichten binnen einer Woche entscheiden soll. Bei Ablehnung des Antrags kann innerhalb einer weiteren Woche geklagt werden. Über die aufschiebende Wirkung der Klage soll das Verwaltungsgericht dann in einer dritten Woche entscheiden. Das Verfahren würde also binnen drei Wochen abgewickelt, während das BAMF heute im Schnitt mehr als fünf Monate braucht.

Vermutlich sind das aber nur hohle Ankündigungen. Wahrscheinlich dauert es weiterhin schon einige Wochen bis der Antragssteller überhaupt registriert und einer „besonderen Aufnahmeeinrichtung“ zugewiesen wird. Dann wird das BAMF in der Regel wegen Überlastung die Ein-Wochen-Frist nicht einhalten können, denn auch im beschleunigten Verfahren muss jeder Antragsteller individuell mit seinen Argumenten angehört werden. Am Ende wird der Antragsteller also doch im normalen Verfahren landen.

Sollte das BAMF wider Erwarten doch binnen einer Woche entscheiden, können sich aber beim Verwaltungsgericht Verzögerungen ergeben. Denn das Gericht kann bei „außergewöhnlicher Belastung“ seine Ein-Wochen-Frist beliebig oft verlängern.

Ungezügelte Ausweitung

Das beschleunigte Verfahren war ursprünglich vor allem für Antragsteller aus so genannten „sicheren Herkunftsstaaten“ gedacht, insbesondere aus den Westbalkan-Staaten Kosovo und Albanien. Nun ging die Zahl der Asylanträge aus diesen Ländern aber schon vor den jüngsten Gesetzsverschärfungen stark zurück. Sie machen nur noch knapp drei Prozent aller Anträge aus. Deshalb wurde das beschleunigte Verfahren nun für eine Vielzahl anderer Antragssteller geöffnet, etwa für Leute, die angeblich ihren Pass vernichtet haben oder die völlig irrelevante Begründungen für ihr Asylgesuch abgegeben haben sollen.

Pro Asyl befürchtet bereits, dass die Sonderprozedur zum „Standardverfahren“ wird. Doch das überlastete BAMF dürfte gar kein Interesse am zusätzlichen Erledigungsdruck haben und die Zahlen im Eilverfahren letztlich doch eher klein halten. Die Anerkennungs-Chancen für Asylsucher werden dadurch aber nicht unbedingt besser.

Geplant ist, dass es fünf „besondere Aufnahmeeinrichtungen“ geben soll, davon zwei in Bayern, die schon in Betrieb sind. Die Flüchtlinge werden dort zwar nicht inhaftiert, sie haben jedoch mit Sanktionen zu rechnen, wenn sie sich unerlaubt in andere Städte begeben. Dann wird das Asylverfahren einfach eingestellt. Beim ersten Mal ist das zwar nur ein Warnschuss, denn der Antragsteller kann ohne Begründung eine Wiederaufnahme des Verfahrens erreichen. Beim zweiten Mal droht aber schon die Abschiebung, gegen die allerdings noch geklagt werden kann.

Diese Einschränkung der Mobilität wäre nicht so dramatisch, wenn das Eilverfahren wie geplant tatsächlich nach drei Wochen abgeschlossen wäre. Wenn es aber länger dauert, ist es einfach unpassend und unverhältnismäßig, Verstöße gegen das Reiseverbot mit einer Ablehnung des Asylantrags zu ahnden. Auch die SPD wird das wohl nicht mehr wegverhandeln, schließlich hat sie diese seltsame Verknüpfung Anfang Juli selbst vorgeschlagen - um auf einem Nebenschauplatz Härte zu zeigen.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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