Kommentar Asylrechtsverschärfung: Der kurze Sommer der Utopie
Die Union ist wieder ganz bei sich: bloß nichts Fremdes, erst recht keine Fremden. Aber trotzdem – oder gerade deswegen – engagieren sich die Menschen.
D ie CDU ist in der falschen Partei. Also zumindest große Teile von ihr. Das wird von Tag zu Tag offensichtlicher. Sie will nicht mehr die Kanzlerinnenpartei sein. Das heißt, die Kanzlerin dürfte gern weiter Angela „Ich richte mich nach den Wünschen jeder Mehrheit“ Merkel heißen. So wie man das als CDU-Mitglied gewohnt war. Aber eben nicht Angela „Wir schaffen das mit den Flüchtlingen“ Merkel. Die nicht.
Denn immer, wenn Merkel ihr „Wir schaffen das“-Mantra wiederholt, dann denkt die CDU und mittlerweile sagt sie es auch, laut und schlicht: Nö.
Denn die CDU, also große Teile davon – und allen vorweg die CSU – also die Union ist überfordert. Nicht, weil sie sich nicht bewegen könnte. Sondern weil sie einfach keinen Bock darauf hat, es zu schaffen. Weil es zum Markenkern der Union gehört, dass sie die konservative Partei ist, die sich am wohlsten fühlt, wenn alles so bleibt, wie es ist. Bloß nichts Neues, nichts Fremdes. Und erst recht keine Fremden. So ist das. So einfach.
Deshalb peitscht die Union gerade zwar die härteste Asylrechtsverschärfung seit den xenophoben Aufständen Anfang der 1990er durch. Deshalb wird jetzt sogar ein Land wie das Kosovo, in dem die Bundeswehr steht, weil da sonst alles drunter und drüber geht, als sicherer Herkunftsstaat definiert. Und SPD und Grüne machen da auch noch mit, weil sie sich irgendwie erhoffen, das würde was verbessern. Aber das wird es nicht. Weil die Überforderten weiter krakeelen werden, dass sie ach so überfordert sind, solange noch irgendeine Grenze offen ist. Weil sie es eben anders nicht wollen.
Ja, das klingt fatal. Aber hat tatsächlich irgendwer anderes erwartet? Erwarten können? Es gab den kurzen Sommer der Utopie, in dem nicht nur Zehntausende Freiwillige den Flüchtlingen zur Seite sprangen, sondern sogar linkes, humanitäres Engagement in niemals erwartetem Einklang mit dem Handeln der Bundesregierung stand. Eine Woche lang. Dann fand die CDU wieder zu sich selbst.
Seither ist alles wie zuvor. Wer sich für Flüchtlinge einsetzen will, muss das schon selber tun. Kann Kleider sammeln, Essen verteilen, Unterkunft geben, nur eben ohne Support von CDU/CSU. Muss daher manchmal – so wie die Flüchtlingsunterstützer an diesem Samstag in Berlin – sogar demonstrativ auf die Straße gehen, um zu zeigen, dass es besser ginge. Viel besser.
Es bleibt also – jetzt erst recht – klassisches Engagement. Das ist mal großartig, mal anstrengend, manchmal auch ermüdend. Aber offensichtlich keine Überforderung. Denn es findet weiter statt, landauf, landab. Trotz der Verweigerungshaltung in der Union. Zum großen Teil sogar genau deswegen.
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