Kommentar Asylpolitik in Schweden: Schluss mit Humanismus
Unbegleiteten Minderjährigen aus Afghanistan droht mit 18 die Abschiebung. Die rot-grüne Regierung hat damit ihre eigenen Ansprüche aufgegeben.
D er 18. Geburtstag – ein Horrortag. Jedenfalls bald für die 20.000 unbegleiteten minderjährigen afghanischen Flüchtlinge, die seit Anfang 2015 nach Schweden gekommen sind. Sie müssen von diesem Tag an jederzeit damit rechnen, festgenommen und nach Afghanistan abgeschoben zu werden. In ein Land also, das sie möglicherweise gar nicht kennen oder an das sie nur eine Erinnerung aus frühester Kindheit haben.
Dass ihr 18. Geburtstag das Ende ihres Aufenthalts in Schweden, das Aus für eine Schulausbildung, die Vernichtung ihrer Zukunftsträume sein wird, darauf werden sich diese Jugendlichen jahrelang vorher einstellen können. Weil sie schon als 15- oder 16-Jährige den Abschiebebescheid erhalten.
Oder aber sie werden davon überrumpelt: Weil ihr Geburtsdatum von der Ausländerbehörde zukünftig „passend“ gemacht werden kann und sie damit von einem Tag auf den anderen als volljährig gelten.
Auch an den Teil der minderjährigen Flüchtlinge, die größere Chancen auf ein Bleiberecht in Schweden haben, hat die Regierung in Stockholm gedacht, als sie daran ging, das Asylrecht auf ein neues Minimalniveau herabzuschrauben, um bloß nicht als zu „großzügig“ zu gelten: Die meisten von ihnen dürfen nun jahrelang Eltern und Geschwister nicht sehen, weil die Vorschriften für den Familiennachzug entsprechend verschärft wurden.
Angesichts dieser Asylpraxis muss sich die rot-grüne Regierung von Tausenden DemonstrantInnen, unter ihnen Flüchtlingshilfegruppen, SozialarbeiterInnen und LehrerInnen, die Frage gefallen lassen, wie es eigentlich mit ihrem Eigenanspruch einer „feministischen Politik“ und um die Humanität der „humanitären Großmacht“ bestellt ist, als die sich das Land so gerne sieht. Wundern über den Gegenwind darf man sich in Stockholm wahrlich nicht: „Das Herz dieses Landes ist dabei, sich in einen Stein zu verwandeln“, sagte eine Rednerin bei den Protestaktionen am Wochenende.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!