piwik no script img

Kommentar Anti-Atom-Protest in ChinaImmerhin ein Anfang

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

In China protestierten Tausende gegen Atomkraft. Doch von einer chinesischen Anti-Atom-Bewegung kann noch lange nicht die Rede sein.

Lianyungang, wo am Wochenende Tausende Demonstranten streikten Foto: reuters

D ie Bilder, die am Montag im Netz zu finden waren, dürften bei so manchem Atomkraftgegner das Herz höher schlagen lassen: Tausende von Demonstranten, die mit bunten Bannern durch die Straßen laufen und in Sprechchören gegen den Bau einer atomaren Wiederaufarbeitungsanlage und weitere Kraftwerke protestieren. Diese Proteste finden nicht in Wackersdorf statt und auch nicht im Wendland oder in Berlin, sondern in Lianyungang im fernen China.

Gründe, in der Volksrepublik gegen Atomkraft auf die Straße zu gehen, gibt es zur Genüge. In keinem Land der Welt werden derzeit so viele neue Meiler errichtet wie im Reich der Mitte. Während in den meisten Industrieländern die Atomenergie ein Auslaufmodell ist, erlebt Atomkraft in Fernost eine wahre Rennaissance. 34 Atomkraftwerke sind in China bereits in Betrieb, 20 weitere befinden sich im Bau.

Der Protest ist erfreulich, zeigt er doch ein neu aufkeimendes Bewusstsein für die Gefahren der Atomkraft. Doch von einer chinesischen Anti-Atom-Bewegung kann noch lange keine Rede sein.

Zum einen ist da die kommunistische Führung. Sie lässt vereinzelt zwar lokale Proteste zu. Doch sollte er sich ausweiten oder gar landesweit organisieren, wird sie mit aller Schärfe dagegen vorgehen. Die Formierung einer Bürgerbewegung ist in dem autoritär regierten Riesenstaat so gut wie unmöglich.

Zum anderen ist da die Masse der Bevölkerung. Zwar ist seit dem Atomunglück im japanischen Fukushima 2011 auch bei den Chinesen die Sorge um die Sicherheit der Atomkraft gewachsen. Doch würde es repräsentative Umfragen geben, würde eine große Mehrheit höchstwahrscheinlich für den weiteren Bau von Atomanlagen stimmen. Die Technikgläubigkeit in China ist groß, das Umweltbewusstsein hingegen gering.

Ganz umsonst ist der Protest vom vergangenen Wochenende aber nicht. So sehr die Zentralregierung in Peking landesweite Proteste unterdrückt – vor Ort ist es auch in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Menschen gelungen, einzelne Chemieanlagen zu verhindern. Sollte dies den Bürgern von Lianyunguang bei ihrem Kampf gegen die dortige Atomanlage gelingen, wäre auch schon einiges gewonnen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!