Kommentar Anti-Atom-Protest in China: Immerhin ein Anfang

In China protestierten Tausende gegen Atomkraft. Doch von einer chinesischen Anti-Atom-Bewegung kann noch lange nicht die Rede sein.

Container sind am Hafen von Lianyungang gestapelt

Lianyungang, wo am Wochenende Tausende Demonstranten streikten Foto: reuters

Die Bilder, die am Montag im Netz zu finden waren, dürften bei so manchem Atomkraftgegner das Herz höher schlagen lassen: Tausende von Demonstranten, die mit bunten Bannern durch die Straßen laufen und in Sprechchören gegen den Bau einer atomaren Wiederaufarbeitungsanlage und weitere Kraftwerke protestieren. Diese Proteste finden nicht in Wackersdorf statt und auch nicht im Wendland oder in Berlin, sondern in Lianyungang im fernen China.

Gründe, in der Volksrepublik gegen Atomkraft auf die Straße zu gehen, gibt es zur Genüge. In keinem Land der Welt werden derzeit so viele neue Meiler errichtet wie im Reich der Mitte. Während in den meisten Industrieländern die Atomenergie ein Auslaufmodell ist, erlebt Atomkraft in Fernost eine wahre Rennaissance. 34 Atomkraftwerke sind in China bereits in Betrieb, 20 weitere befinden sich im Bau.

Der Protest ist erfreulich, zeigt er doch ein neu aufkeimendes Bewusstsein für die Gefahren der Atomkraft. Doch von einer chinesischen Anti-Atom-Bewegung kann noch lange keine Rede sein.

Zum einen ist da die kommunistische Führung. Sie lässt vereinzelt zwar lokale Proteste zu. Doch sollte er sich ausweiten oder gar landesweit organisieren, wird sie mit aller Schärfe dagegen vorgehen. Die Formierung einer Bürgerbewegung ist in dem autoritär regierten Riesenstaat so gut wie unmöglich.

Zum anderen ist da die Masse der Bevölkerung. Zwar ist seit dem Atomunglück im japanischen Fukushima 2011 auch bei den Chinesen die Sorge um die Sicherheit der Atomkraft gewachsen. Doch würde es repräsentative Umfragen geben, würde eine große Mehrheit höchstwahrscheinlich für den weiteren Bau von Atomanlagen stimmen. Die Technikgläubigkeit in China ist groß, das Umweltbewusstsein hingegen gering.

Ganz umsonst ist der Protest vom vergangenen Wochenende aber nicht. So sehr die Zentralregierung in Peking landesweite Proteste unterdrückt – vor Ort ist es auch in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Menschen gelungen, einzelne Chemieanlagen zu verhindern. Sollte dies den Bürgern von Lianyunguang bei ihrem Kampf gegen die dortige Atomanlage gelingen, wäre auch schon einiges gewonnen.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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