piwik no script img

Kommentar Anschlag in LahorePakistans Kultur der Intoleranz

Im multikulturellen Pakistan ist religiös begründete Gewalt gesellschaftsfähig geworden. Die Bekämpfung von Terroristen allein reicht nicht mehr.

Opfer einer Kultur der Intoleranz: Trauer um die Getöteten von Lahore Foto: dpa

Eine „Aufrechnung für jeden vergossenen Tropfen Blut“ hat Pakistans Premierminister Nawaz Sharif nach dem Selbstmordanschlag mit 72 Toten in Lahore versprochen. Nach der grausamen Tat sind Rachegedanken vielleicht nachvollziehbar, hilfreich sind sie nicht.

Pakistans Armee geht seit Juli 2014 relativ erfolgreich gegen jene militanten islamistischen Gruppen wie die pakistanischen Taliban (TPP) vor, die sie als Feinde des pakistanischen Staates ansieht. Wenn jetzt eine TPP-Splittergruppe die Verantwortung für den Anschlag in Lahore übernimmt und ihn auch als Reaktion auf die Armee-Offensive darstellt, zeugt das von deren Wirkung.

Die von den Tätern gelieferte Darstellung des Anschlags als gegen Christen gerichtet ist dagegen der Versuch, ein gemeinsames Feindbild pakistanischer Muslime heraufzubeschwören und dabei zu kaschieren, dass Muslime die Hauptopfer des islamistischen Terrors in Pakistan sind.

Polizeilich-militärische Mittel sind bei der Terrorbekämpfung in Pakistan sicher nötig, ausreichend sind sie nicht. In der gesamten Gesellschaft hat sich eine Kultur der Intoleranz und religiös verbrämter Gewalt breitgemacht. Deutlich wurde dies unmittelbar vor dem Anschlag in Lahore, als in Islamabad mehrere tausend Islamisten Rache für einen hingerichteten Mörder forderten. Der hatte 2011 den Gouverneur von Punjab, zu dessen Leibwache er zählte, erschossen, weil dieser das harsche Blasphemiegesetz kritisiert und sich für eine deshalb mit der Todesstrafe bedrohte Christin ausgesprochen hatte. Für viele Islamisten in Pakistan ist der Mörder ein Held.

Solange religiös-begründetes Sektierertum im früher multireligiöseren und multikulturelleren Pakistan gesellschaftsfähig ist, wird der Terror weitergehen. Pakistans mächtiges Militär geht zwar gegen einige bewaffnete Islamisten vor; doch andere wie die afghanischen Taliban, die es als außenpolitischen Hebel nutzt, schützt es weiter. Auch dieses Doppelspiel fördert den heimischen Terrorismus.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    "Pakistans Kultur der Intoleranz" will der Autor damit sagen, dass die Europäer Toleranter sind als die Pakistaner. Ehrlich gesagt mir ist ein intoleranter Pakistaner lieber als ein toleranter Europäer. Weil Tolerant heißt "Dulden". In Europa werden die Fremden geduldet. Die Fremden wollen aber nicht geduldet sondern akzeptiert und respektiert werden. Das haben die Europäer nicht verstanden und auch der Autor nicht.

    • @70023 (Profil gelöscht):

      Ihre Einlassungen sind wirr. Mögen Sie tatsächlich einen religiösen Eiferer als Nachbarn haben, der Ihnen nach dem Leben trachtet?

      Und ganz eindeutig, meine Mitmenschen können von mir Toleranz erwarten, das beeinhaltet auch einen gewissen Respekt, lieben muss ich sie aber nicht.

      Wie sieht es denn bei Ihnen mit Akzeptanz und Respekt vor evangelikalen Christen aus?

      leute mit ihrem geschlossen Weltbild haben da meist erheblich weniger "Toleranz".