Kommentar Agrokraftstoffe: Biosprit-Gegner frohlocken
"Hunger durch Biosprit"- diese Zuspitzung greift zu kurz. Damit es keinen Zielkonflikt zwischen Ernährung und Bio-Energien gibt, müssen Energiepflanzen regional produziert werden.
E s ist ein dankbares Thema für die Schlagzeilen: Biosprit führt zu steigenden Lebensmittelpreisen und damit zu Hunger in der Welt. Unruhen in armen Ländern sind die Folge, warnen jetzt die Weltbank und der Internationale Währungsfonds. Befürchtet wird, dass die Aufstände gegen teure Grundnahrungsmittel sich bald zu Bürgerkriegen auswachsen. Schon können all diejenigen in den Industrieländern frohlocken, denen Klima- und Umweltschutz schon immer suspekt war: "Seht doch, wohin euer Ökoquatsch führt."
Nun ist die Schlagzeile "Hunger durch Biosprit" leider nicht verkehrt. Denn der Zusammenhang ist unverkennbar: Wo früher Nahrungsmittel angebaut wurden, wachsen rund um den Globus immer häufiger Energiepflanzen - mit untragbaren Konsequenzen für die Ärmsten. Und doch ist die Schlagzeile auf eine Weise zugespitzt, die in die Irre zu leiten droht.
Der Anbau von Energiepflanzen in einigen armen Ländern spricht nicht grundsätzlich gegen die Nutzung von Bioenergie. Es spricht lediglich gegen den globalen Handel mit Biomasse, der zwangsläufig zu einem unfairen Wettbewerb um Agrarrohstoffe führt. Denn gegen die Summen, die wir für unsere Mobilität zu zahlen bereit sind, können die Armen der Welt in einem globalen Markt nicht bestehen.
Das Fazit darf nicht heißen: Bioenergie ist aus humanitären Gründen unvertretbar. Es muss stattdessen lauten: Bioenergie ist nur vertretbar, wenn sie in regionalen Wirtschaftskreisläufen genutzt wird. Wenn zum Beispiel ein hiesiger Landwirt Energiepflanzen anbaut und diese in seiner Biogasanlage in Strom und Wärme umsetzt, so ist das unbedingt begrüßenswert. Wir brauchen die Bioenergien schließlich als Bestandteil einer ökologischen und klimaverträglichen Ökonomie.
International jedoch kann der Wettbewerb um Agrarrohstoffe im wahrsten Sinne tödlich sein. Und deswegen kann es nur zwei Auswege geben: Entweder die Produzenten in den Entwicklungsländern begrenzen den Export von Biorohstoffen selbst, was jedoch häufig nicht zuletzt wegen der Korruption dieser Staaten unpraktikabel ist. Oder die Industriestaaten verweigern die Annahme - und genau das sollten sie jetzt tun.
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