Kommentar Afghanistan: Am Ende die Taliban
Eine umfassende Überprüfung des ersten Wahlgangs und dann womöglich ein zweiter Wahlgang wäre für die Legitimität des Siegers wichtig.
S ich zum Sieger einer Wahl zu erklären, ist eine Sache. Doch bei der Stimmauszählung sollte man dann schon auch noch vorne liegen. Genau darum geht es jetzt in Afghanistan. Behält Amtsinhaber Hamid Karsai bei der Überprüfung der vielen Unregelmäßigkeiten der Präsidentschaftswahlen vom 20. August die absolute Mehrheit und gewinnt bereits im ersten Wahlgang? Oder kommt es zur Stichwahl mit seinem Herausforderer Abdullah Abdullah? Das Ergebnis verzögert sich, weil hinter den Kulissen massiv gerungen wird. Mit dem Votum der Bevölkerung hat das nichts mehr zu tun.
Internationalen Beobachtern zufolge könnte bis zu einem Drittel der Stimmen gefälscht sein - mehrheitlich zugunsten Karsais. Angesichts der Vorwürfe wäre eine umfassende Überprüfung des ersten Wahlgangs und dann womöglich ein zweiter wichtig für die Legitimität des Siegers. Doch schon jetzt wird nur stichprobenartig und nach wechselnden, umstrittenen Kriterien geprüft. Eine umfassende Kontrolle, die als einzige glaubwürdig wäre, gibt es nicht.
Sven Hansen ist Redakteur im Auslandsressort der taz.
Bei einer zweiten Runde, die jetzt erstmals greifbar ist, gibt es keine Garantie, dass sie nicht wieder manipuliert wird. Ohne bessere Vorbereitung ist ein erneut fragwürdiges Ergebnis sogar wahrscheinlich. Und bis zum Wahlgang, der sich wegen des einsetzenden Winters bis April hinziehen könnte, droht ein gefährliches Machtvakuum. Ein zweiter Wahlgang dürfte auch wieder von Taliban-Angriffen begleitet sein, also neben hohen organisatorischen Kosten auch tote Soldaten wie Zivilisten fordern.
Die Alternative wäre, Karsai jetzt als Sieger davonkommen zu lassen - oder eine Machtteilung. Beides würde die afghanischen WählerInnen entmündigen. Die beste der schlechten Lösungen ist ein riskanter zweiter Wahlgang. Wird er wieder zur Farce, wären die Taliban die Sieger.
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