Kommentar Afghanistan-Einsatz: Keine Rede mehr von Abzug
Und noch einmal wird der Militäreinsatz in Afghanistan verlängert. Das zeigt: alle optmistischen Einschätzungen hatten nichts mit der Realität zu tun.
D ie Nato geht in ihrem Afghanistan-Militäreinsatz in die dritte Verlängerung. In Warschau beschloss die Organisation, ihre Unterstützungsmission „Resolute Support“ (RS) über den vorgesehenen Endpunkt im Dezember 2016 hinaus zu verlängern, den Abzug der verbleibenden etwa 12.000 Soldaten zu stoppen (weitere US-Soldaten gehören zu einer separaten US-Mission) und bis 2020 weiterhin die afghanischen Streitkräfte zu finanzieren.
Damit hat die Nato bereits zum zweiten Mal das selbst gesetzte Ziel, alle ausländischen Soldaten aus Afghanistan abzuziehen, verfehlt. Die erste Frist war Ende 2014, als die RS-Vorgängermission Isaf auslief. Von einem konkreten Abzugstermin ist nun nicht mehr die Rede.
Schon zuvor hatte US-Präsident Barack Obama die für das laufende Jahr in Aussicht gestellte weitere Verringerung der Truppenpräsenz seines Landes – des mit Abstand größten Truppenstellers – gestoppt und damit den Warschauer Beschluss vorweggenommen. Er erweiterte auch wieder das Mandat der US-Truppen in Afghanistan: vom bisherigen train, advise, support (ausbilden, beraten, unterstützen – der letzte Begriff bewusst schwammig gehalten) zurück zu direkter Kampfbeteiligung. Zudem gab er grünes Licht für wieder verstärkte Luftunterstützung für die afghanischen Truppen im Kampf gegen die Taliban.
Deutlicher kann man kaum zeigen, wie weit die über die vergangenen 15 Jahre meist mit optimistischem Unterton versehenen öffentlichen Einschätzungen der Situation in Afghanistan durch die beteiligten Regierungen – nicht zuletzt der in Berlin – von der Realität vor Ort abwichen.
Mit den Beschlüssen von Warschau soll nun Zeit gewonnen werden, um die Defizite bei den afghanischen Truppen abzubauen und so lange mit erneutem, wenn auch minimiertem Kampfeinsatz zu verhindern, dass zwischendurch die Taliban die Macht übernehmen.
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