Kommentar AfD-Anfragen: Mehr Hirn, weniger Häme!
Die AfD macht sich mit absurden Anfragen zum Obst – so jedenfalls möchten das viele sehen. Dabei steckt dahinter eine kluge Taktik.
E s gibt zwei Arten, auf den Rechtspopulismus zu blicken: Man kann drüber lachen, das ist heilsam. Oder man kann ihn ernst nehmen, dann hat man sich schnell den Tag verdorben.
Diese Woche lachte das Internet über eine Große Anfrage, die die sächsische AfD-Landtagsfraktion zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingereicht hat. Sie enthält nicht weniger als 630 Einzelfragen, von denen viele hanebüchen sind („Warum und wann erfolgen Moderationen vor bzw. hinter dem Tisch?“), etliche weitere sind leicht zu googlen („Wie und wonach werden die Einschaltquoten durch wen ermittelt?“).
Im Netz ließ die Häme nicht lange auf sich warten. Unter #AfDFragen führten NutzerInnen den Unsinn weiter: „Warum wird in „Heute“ das Wetter von morgen ausgestrahlt?“. LOL. Nein, im Ernst: LOL. Und doch: Obacht.
Es macht Spaß, die AfD als Witz zu sehen. Tatsächlich ist dies nicht die erste skurrile Anfrage einer AfD-Fraktion: Kürzlich fragte dieselbe Sachsen-AfD nach einer Vergewaltigung durch einen Asylbewerber im „Maxim-Gorki-Park“. Die Antwort: Es gibt keinen Park dieses Namens in Sachsen. Anfang des Monats wollte die AfD Sachsen-Anhalt wissen, wie oft es dort zu Sachbeschädigungen oder Angriffen durch Asylbewerber kommt. Antwort: Ein bis vier Mal im Jahr.
Schlagworte im Gespräch
Man möchte sich zurück lehnen und genießen, weil genau das passiert, was man sich nach den Wahlerfolgen im März und September eingeredet hat: Wenn die Partei erst in der Realpolitik sitzt, wird sie sich von selbst zerlegen.
Die Strategie der AfD aber ist, den Diskurs zu bestimmen. Schlagworte, egal ob unbegründet oder irrelevant, immer wieder ins Gespräch zu bringen – bis sich die Debatte darüber ganz natürlich anfühlt. Mit der angeblichen Bedrohung deutscher Frauen durch „Nordafrikaner“ hat das schon geklappt.
Die AfD schert es nicht, ob ihre Gegner sie auslachen. Sie filibustert sich fröhlich mit Talkshowauftritten, absurden Tweets und Anfragen in die öffentliche Diskussion. Bei ihren Anhängern kommt das gut an. Kann man alles lustig finden. Kann man auch als medienpolitische Taktik ernst nehmen – so viel sollten wir gelernt haben aus dem üblen Kater nach der US-Präsidentschaftswahl.
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