piwik no script img

Kommentar AfD-AnfragenMehr Hirn, weniger Häme!

Peter Weissenburger
Kommentar von Peter Weissenburger

Die AfD macht sich mit absurden Anfragen zum Obst – so jedenfalls möchten das viele sehen. Dabei steckt dahinter eine kluge Taktik.

Macht Filibustern Frauke Petry froh? Foto: dpa

E s gibt zwei Arten, auf den Rechtspopulismus zu blicken: Man kann drüber lachen, das ist heilsam. Oder man kann ihn ernst nehmen, dann hat man sich schnell den Tag verdorben.

Diese Woche lachte das Internet über eine Große Anfrage, die die sächsische AfD-Landtagsfraktion zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk eingereicht hat. Sie enthält nicht weniger als 630 Einzelfragen, von denen viele hanebüchen sind („Warum und wann erfolgen Moderationen vor bzw. hinter dem Tisch?“), etliche weitere sind leicht zu googlen („Wie und wonach werden die Einschaltquoten durch wen ermittelt?“).

Im Netz ließ die Häme nicht lange auf sich warten. Unter #AfDFragen führten NutzerInnen den Unsinn weiter: „Warum wird in „Heute“ das Wetter von morgen ausgestrahlt?“. LOL. Nein, im Ernst: LOL. Und doch: Obacht.

Es macht Spaß, die AfD als Witz zu sehen. Tatsächlich ist dies nicht die erste skurrile Anfrage einer AfD-Fraktion: Kürzlich fragte dieselbe Sachsen-AfD nach einer Vergewaltigung durch einen Asylbewerber im „Maxim-Gorki-Park“. Die Antwort: Es gibt keinen Park dieses Namens in Sachsen. Anfang des Monats wollte die AfD Sachsen-Anhalt wissen, wie oft es dort zu Sachbeschädigungen oder Angriffen durch Asylbewerber kommt. Antwort: Ein bis vier Mal im Jahr.

Schlagworte im Gespräch

Man möchte sich zurück lehnen und genießen, weil genau das passiert, was man sich nach den Wahlerfolgen im März und September eingeredet hat: Wenn die Partei erst in der Realpolitik sitzt, wird sie sich von selbst zerlegen.

Die Strategie der AfD aber ist, den Diskurs zu bestimmen. Schlagworte, egal ob unbegründet oder irrelevant, immer wieder ins Gespräch zu bringen – bis sich die Debatte darüber ganz natürlich anfühlt. Mit der angeblichen Bedrohung deutscher Frauen durch „Nordafrikaner“ hat das schon geklappt.

Die AfD schert es nicht, ob ihre Gegner sie auslachen. Sie filibustert sich fröhlich mit Talkshowauftritten, absurden Tweets und Anfragen in die öffentliche Diskussion. Bei ihren Anhängern kommt das gut an. Kann man alles lustig finden. Kann man auch als medienpolitische Taktik ernst nehmen – so viel sollten wir gelernt haben aus dem üblen Kater nach der US-Präsidentschaftswahl.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Peter Weissenburger
Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Medien.
Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • Seit einiger Zeit finde ich in meinen Spam-Mails Texte von diversen Dr. XY mit Inhalten wie: Deutschland ist am Ende... und dann kommen die bekannten Sprüche und Links (die ich nicht anklicke) wo man sich weiter informieren kann. Ich bin überzeugt, dass diese Links nicht zu Troyanern führen sondern eine andere Art von Phishing sind: Fischfang beim Wähler. Die REchtspopulisten spielen die ganze Klaviatur durch, alles was geht an Öffentlichkeitsarbeit und sie tun das gut. Leider sind viele Menschen unzufrieden, nicht weil sie tatsächlich Grund hätten sondern weil sie ständig den Eindruck haben, ihnen stünde NOCH MEHR zu. Noch VIEL MEHR. Genau diese vollgefressene Bürgerkaste, die sich trotzdem zu kurz gekommen wähnt, die bitter vor ihren vollen Tellern sitzt wird angezogen von diesen Sprüchen. Muss man Ernst nehmen, sehr ernst nehmen!

  • Ich plädiere für ein kontrolliertes Nicht-Ernstnehmen. Die AFD wird so lange von den Medien ausgeblendet, wie es relativ ruhig bleibt. Erst wenn es (in Sachsen oder anderswo) mal wieder zu Rechtsaußen-Randale kommt und eine Querverbindung zur AFD erkennbar ist, wird wieder berichtet.

  • Als Holzmedium fehlen einmal mehr der taz die Links, um den Kram einigermaßen vernünftig einzusortieren. Manchmal werden die brav nachträglich zu- und eingearbeitet, dafür scheinen dann aber im "Archiv" zu einem gewissen Teil nur noch Durchgriffe auf eine pdf-Version des Artikels möglich zu sein (ein paar Tage nach Veröffentlichung) - das ist gewünscht praktisch, weil dann die "Kommentare" fehlen. Egal. (u.a. weil eh' Kommentare wegfallen)

     

    Überregional wurde das Ding "hochgekocht" durch Niggemaiers Blog uebermedien (und angeschlossene Aggregatoren):

    http://uebermedien.de/10010/alles-was-die-afd-immer-schon-mal-ueber-ard-und-zdf-wissen-wollte/

     

    Dort hat einer der Autoren (und belustigter Twitterer) den Kram einigermaßen "komplett" abgearbeitet. Die Vielzahl an Kommentatoren (wie häufig dort: unredigiert - löblich) liefert Ergänzungen.

     

    Auch Niggemaier hat dort gebeitragt. Das ist ein interessanter Kommentar, weil es ein Beispiel für das eigentliche Problem darstellt. N. weist einen anderen (AfD-) Kommentator darauf hin, dass die "Verfassungsmässigkeit" des ZDF bekanntermaßen verhandelt und entschieden wurde.

    • @ajki:

      Forts. (Zeichenzahlbegrenzung....):

       

      Was an dieser Position aus meiner Sicht völlig falsch ist, ist die radikale Verfehlung des Horizonts - ja, "rechtlich" ist das ZDF (oder die generelle Ausgestaltung des ÖR) ganz sicher nicht kritisierbar oder "falsch". Aber es waren *politische*, von *Parteien* initiierte Kampagnen, die den ganzen Apparat ins Werk setzten und in Betrieb halten - es ist eine *politische* Frage, die zu diskutieren wäre oder eigentlich sein sollte, sowohl in Grundsätzen als auch im Detail. Das handwerklich die gesetzlichen Voraussetzungen so gestaltet sind, dass sie "gerichtsfest" bleiben, ist *nicht* strittig - das ist ja wohl auch ein Minimumerfordernis an parlamentarische Arbeit (die oft genug aber noch nicht mal das gut erledigt). Ob der wesentliche *politische* Grund dafür, dass es das ZDF "gibt", nach den Privatisierungskampagnen der 80er überhaupt noch fortbestehen *kann* und insofern die Gründe für die Existenz des Senders (und andere Belange) völlig in Wegfall gekommen sind - das blendet auch Niggemaier mit seinem unzulänglichen Hinweis auf "Rechtmäßigkeit" völlig aus. Die AfD und andere Kritiker des ÖR-Systems mögen in ihren kritschen Praktiken oft ungelenk und leicht unterkomplex wirken - die *politischen* Fragen zum ÖR werden dadurch nicht berührt.

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    Das Problem ist nicht, dass die AFD doofe Fragen stellt, oder doofes tut und sagt. Das machen die anderen auch oft.

     

    Das Problem ist, dass zu viele Menschen sich nicht daran stören, Doofen hinterherzudackeln, solange diese gegen Minderheiten hetzen.

     

    Das kann daran liegen, dass manche Doofen zu doof sind, um dummes Verhalten zu erkennen, oder daran, dass aktuell so viel Menschen unfähig sind, genug Selbstwertgefühl zu entwickeln, und denen es völlig egal ist, wie niederträchtig und erbärmlich sie sich verhalten, wenn sie über dümmlichste Erniedrigung anderer sich Selbstwert einreden.

    • @1393 (Profil gelöscht):

      Der beissend schrille Unterschied der AFD zu anderen Parteien sollte aber nicht übersehen werden: neben Rassenhass, Diffamierungen und Volksverhetzungen stellt die AFD buchstäblich alles in Frage - das ist unvergleichlich und führt Politik ins Absurdum.

  • Genau so machen es die meisten Kommentatoren zum Krieg in Syrien auch: sie möchten eine Sicht der Dinge als Wahrheit behaupten und verbreiten sie so lange, bis alle nur noch eine Sicht, die des Herrscherclans Assad als Tatsache ansehen.

    Genau so machen es Breitbart News und Trump seit 8 Jahren.

    Herrschen durch einreden.

    • @nzuli sana:

      so machen es ard/zdf seit jahrzehnten

      • @diepartyhannoverost:

        ..so würden ARD + ZDF es machen müssen, wenn die wir die Diktatur der AFD hätten.

  • Alles, was diese Anfragen bewirken sollen, ist der Aufbau einer Stimmung der ANGST. Man legt eine Lupe, ja ein Mikroskop auf Statistiken und hofft durch dieses Brennglas die Ängste der Bevlkerung in eine bestimmte Richtung zu treiben.

     

    Hier ist meine Lupe/mein Mikroskop:

    Die AfD:

    - will dem Begriff des Völkischen in Deutschland wieder eine Chance auf Rehabilitierung geben

    - hat viele Mitglieder und auch direkte Verbindungen aus den Reihen der NPD

    Es sollte interessieren, welche produktiven Ergebnisse - nicht irgendwelche Äusserungen oder Anfragen - Mitglieder dieser Partei erreicht haben. Welche Vorschläge haben den Weg zur Umsetzung in Form von (Landes-)Gesetzen oder Handlungsanweisungen gefunden?

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Das ist ganz sicher keine Spinnerei zu Marketingzwecken.

     

    Die 630 Fragen klopfen die Struktur des ÖR ab. Da geht es (habe nur Bruchstücke im Netz gefunden) auch um die "Qualifikation" der Mitarbeiter, um Rechercheaufwand und Quellen, um verdeckte Finanzbeziehungen, um die Mittelverwendung, etc.

     

    Diese Anfrage nagelt die Sächsische Landesregierung fest, gibt der AfD tiefen Einblick in die Struktur und arbeitsweise des ÖR und dient gleichzeitig als Grundlage für allerlei spätere "Rügen".

     

    630 Antworten? Wenn nur 1% davon skandalisierbar sind, dann hat die AfD demnächst 6,3 "Skandale aufgedeckt". Und selbst wenn nicht ist da genug Material dabei um den ÖR unter "Dauerfeuer" nehmen zu können.

     

    Die Fragen die ich gefunden habe sind eine Kampfansage an die Journalisten beim ÖR, oder zumindest eine unterschwellige Drohung (Qualifikation, Recherchemethoden, etc.). Witzig finde ich sie jedenfalls nicht.

    • @32795 (Profil gelöscht):

      was, wenn die 1% zurecht skandalisierbar sind? da der ÖR die AfD ebenfalls unter "dauerfeuer" nimmt, dürfte er keine probleme damit haben, wenn "zurückgeschossen" wird.

      • @diepartyhannoverost:

        Die ÖR senden selbstverständlich auch Nachrichten über die Skandale, Diffamierungen und Volksverhetzungen der AFD.

        Dafür sind die Medien nicht zu kritisieren, was die AFD aber nicht davon abhält, sich auch noch damit lächerlich zu machen.

        • @Selbstdenker:

          wir wissen doch alle, daß der ÖR eine gigantische geldvernichtungsmaschine ist. bestenfalls rentner-TV. wer sich informieren will, tut das im internet.

    • @32795 (Profil gelöscht):

      Ihr Beitrag ist ja der beste Beweis, wie gut diese Taktik funktioniert. Welcher Skandal sollte durch eine viel zu allgemeine Frage zu Quellen aufgedeckt werden? Die Antwort kann sich jeder denken und hat keinen Erkenntniswert (unterschiedliche Quellen zum jeweiligen Thema). Was bei einem Teil der Bevölkerung hängenbleibt: Da stimmt was nicht.

  • Eine sinnvolle Warnung und gute Erklärung der AfD-Strategie. Diese rechte Parolenpartei nicht ernstzunehmen und zu hoffen, sie erledige sich von selbst, wäre ein großer Fehler. Nachtigall, ick hör dir trumpen...

  • Sehr richtig. Die "Guck mal wie doof die sind gnihihi"-Fraktion, verkörpert durch z. B. einen Jan Böhmermann, spielt der Troll-Propaganda schön in die Hände. Und während sich die vermeintlich aufgeklärte Zielgruppe gegenseitig abklatscht, so wie damals beim Hauptschüler-Bashing auf dem Schulhof, wird der öffentliche Diskurs immer mehr von stramm rechter Ideologie durchsetzt. Nicht gut.