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Beeindruckend
Die „New York Times" nannte den blutigen Sturz des formal demokratisch gewählten Mursi-Regimes 2013 zutreffend eine „Konterrevolution“. Deren Akteure, die vom Pentagon alimentierte Mubarak-Armee und der übrige Sicherheitsapparat des Ancien Régimes, bedienten sich dabei clever der Propagandafigur des „War On Terrorism“. Noch vor seiner folgerichtigen Freilassung war Mubarak dann die internationale publizistische Gnade zuteil geworden, nicht mehr, wie noch in den Tagen des „Arabischen Frühlings“, als Diktator gebrandmarkt, sondern wieder auf den weniger abscheulichen Status eines „Autoritären Herrschers“ herabgestuft zu werden, eine euphemistische Kategorie, mit der traditionell jene Schurken-Herrscher bedacht werden, von denen es in Washington seit Roosevelt über Kissinger und Rumsfeld heißt: „Es mögen Schurken sein, aber es sind unsere Schurken.“
Das Problem der Diskurs-Designer bestand danach nun darin, die Massaker in Kairo mit den moralischen Ansprüchen des Anti- Terrorkampfes in eine rhetorische Paßform zu bringen und um jeden Preis störende Vergleiche zu Gadhafi und Assad zu vermeiden. Die Zahl von 1000 Massaker-Opfern und die Ankündigung der Putschisten, 3 Mill. Moslembrüder innerhalb von 6 Monaten umzubringen („Le Monde“ 19. 08. 2013) reichten jedenfalls noch nicht für EU-Sanktionen. Ganz im Gegenteil: „Ich finde, Sie haben einen beeindruckenden Präsidenten.“ (Der damalige Vize-Kanzler Sigmar Gabriel auf seiner Pressekonferenz in Kairo am 24. April 2017 über den neuen ägyptischen Diktator as-Sisi)
Die militärische Lage ist bitterernst für die Ukraine. Das geschundene Land braucht weiter Hilfe aus dem Westen – wie einst versprochen.
Kommentar Ägypten: Konterrevolution in Paragrafenform
Die Verfassungsreform in Ägypten wurde in einem Referendum angenommen. Eine demokratische Abstimmung war sie aber nicht.
Stimmabgabe beim Verfassungsreferendum in Kairo am 20. April Foto: dpa
Mit der Verfassungsänderung in Ägypten bricht nicht nur Machthaber Abdel Fattah al-Sisi sein Versprechen, nicht ewig an der Macht zu bleiben. Auch all jene ÄgypterInnen, die 2013 nach den Generälen riefen und dem Militärputsch gegen die damalige Muslimbrüderregierung pseudodemokratische Legitimität verliehen, können nicht mehr ernsthaft behaupten, dass das Militär nur den Willen des Volkes ausführe, also die Demokratie gegen das damals drohende autoritäre System unter Führung der Islamisten verteidige.
Zwar wurde die Verfassungsänderung in einem Referendum angenommen, von einer demokratischen Abstimmung kann jedoch nicht die Rede sein: Blogs und Websites wurden gesperrt, eine kritische Presse gibt es kaum noch, und Kritiker des Militärregimes werden seit Jahren eingeschüchtert. Die Gegner der Verfassungsänderung hatten kaum Möglichkeiten, für ein Nein zu mobilisieren.
Dabei hätten sie gute Argumente gehabt. Denn die Verfassungsänderung eliminiert die letzten demokratischen Errungenschaften der Revolution von 2011. Sie gießt den Militärputsch von 2013, der dem demokratischen Experiment ein vorzeitiges Ende bereitete, nun in den Verfassungstext.
Nicht nur kann al-Sisi jetzt bis 2030 durchregieren. Mehrere geänderte Artikel schränken darüber hinaus die Unabhängigkeit der Justiz erheblich ein. Auch wird dem Militär ganz offiziell eine Rolle in der Politik zugesprochen, indem Artikel 200 die Streitkräfte nicht mehr nur für die Sicherheit verantwortlich macht, sondern dafür, „Verfassung und Demokratie“ sowie die „zivile Natur“ des Staates zu schützen. Ein künftiges Einschreiten des Militärs könnte damit im Rahmen der Verfassung stattfinden.
Damit schreibt die Verfassungsänderung den Autoritarismus mit demokratischer Fassade fort, mit dem auch Sisis Vorgänger Husni Mubarak jahrzehntelang regierte. Das Volk wird regelmäßig an die Urnen gerufen, während Oppositionelle mundtot gemacht werden, ohne sich juristisch wehren zu können. Der Rest des Volkes darf dann seine Zustimmung geben.
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Zehn Jahre Arabischer Frühling
Kommentar von
Jannis Hagmann
Redakteur Nahost
ist Redakteur für Nahost & Nordafrika (MENA). Davor: Online-CVD bei taz.de, Volontariat bei der taz und an der Evangelischen Journalistenschule Berlin, Studium der Islam- und Politikwissenschaft in Berlin und Jidda (Saudi-Arabien), Arabisch in Kairo und Damaskus. Er twittert unter twitter.com/jannishagmann
Themen
Das Dossier
Auch Jahre nach Beginn des „Arabischen Frühlings“ reißen die Massenproteste nicht ab. Ein ganzes Jahrzehnt ist tief durch die Arabellion geprägt. Im Schwerpunkt-Dossier „Zehn Jahre Arabischer Frühling“ berichten taz-Korrespondent*innen und Gastautor*innen aus den Umbruchsländern vom Maghreb über Nordafrika bis nach Syrien, den ganzen Nahen Osten und die arabische Halbinsel.