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Kommentar Abschiebung aus DeutschlandGefährder ist nicht gleich Gefährder

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Paragraf 58a ermöglicht eine schnellere Ausweisung von Dschihadisten. Ein Problem: Er unterscheidet kaum zwischen Migranten und Inländern.

An der Gedenkstätte am Breitscheidplatz liegen am 19. Dezember 2017 weiße Rosen Foto: reuters

D ie Radikalisierung von Islamisten vollzieht sich oft in atemberaubendem Tempo. Häufig ist das keine langsame, schleichende Entwicklung, sondern ein fast schon sprunghaftes Aufgehen in einer neuen dschihadistischen Identität. Einige Gefährder sind zudem psychisch labil, was die Entwicklung umso unberechenbarer macht.

Wenn es nicht mehr nur um radikale Äußerungen, um Hass und Beleidigungen geht, sondern um drohende Anschläge – und damit um Menschenleben –, dann ist eine schnelle staatliche Reaktion erforderlich und eben auch eine Abschiebung im Eilverfahren. Man kann nicht auf den Beginn von „Vorbereitungshandlungen“ warten, wenn ein Dschihadist wie in Hamburg im vergangenen Sommer im Supermarkt ein Messer kauft und sofort auf Menschen einsticht. Bei vielen Anschlägen gibt es kaum noch Vorbereitungshandlungen.

Dass Islamisten Deutschland verlassen müssen, weil man sie für gefährlich hält, ist nicht neu. Früher gingen die Behörden aber in zwei Schritten vor. Erst wurde per Ausweisung das Aufenthaltsrecht beendet, dann wurde (wenn möglich) die Abschiebung vollzogen. Auf beiden Stufen gab es die Möglichkeit zu klagen, das konnte Jahre dauern. Die Abschiebungsanordnung nach Paragraf 58a zieht nun das Prozedere zu einem Schritt zusammen und gibt nur in einer Instanz Rechtsschutz – gleich beim Bundesverwaltungsgericht nämlich. Dort werden die Fälle durchaus gründlich geprüft. Niemand wird nur deshalb abgeschoben, weil ihn die Polizei intern als Islamist eingestuft hat.

Ansonsten gelten die üblichen Regeln. In Krieg und Bürgerkrieg werden auch gefährliche Islamisten nicht abgeschoben. Ein Syrer, der als Gefährder eingestuft worden ist, muss zurzeit nicht nach Syrien zurück, sondern kann in Deutschland bleiben. Oft wird sogar eine Zusicherung vom Zielstaat verlangt, dass der Islamist dort rechtsstaatlich behandelt wird.

Bedenklich ist an der neuen harten Linie vor allem eines: Sie unterscheidet kaum zwischen Ausländern, die erst seit Kurzem in Deutschland leben, und faktischen Inländern, die hier geboren und aufgewachsen sind. Für einen Ausländer, der sich als Student oder Asylantragsteller nur einige Jahre hier aufhielt, ist eine Abschiebung lange nicht so einschneidend wie für jemanden, für den Deutschland trotz aller ideologischer Distanz so etwas wie die Heimat ist. Eine solche „Verbannung“ sollte nicht möglich sein. Hier muss die Politik, oder Karlsruhe, korrigieren.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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10 Kommentare

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  • Ich finde die neue Linie nicht "hart" oder "bedenklich", sondern die einzig richtige Antwort auf die Bedrohung, die von Menschen ausgehen, die hierher kommen und nach dem Motto leben: "und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlage ich dir den Schädel ein".

  • Ergänzend & zum xten ist aber zudem

     

    Für jede Abschiebung - insbesondere aber bei den sog. Gefährdern auf die Anforderungen von Karlsruhe hinzuweisen ~>

     

    " "…b) Vor diesem Hintergrund wäre es nicht ausreichend, wenn die im angegriffenen Beschluss geforderte Zusicherung nur den in deren Tenor genannten gänzlich allgemeinen Inhalt hätte. Vielmehr ist es von Verfassungs wegen erforderlich, dass die einzuholende Zusicherung mit spezifischen Garantien verbunden ist, die eine Überprüfung der (eventuellen) Haftbedingungen des Beschwerdeführers im Falle von dessen Inhaftierung und insbesondere den ungehinderten Zugang zu seinen Prozessbevollmächtigten erlaubt; dies muss sich auf eine Inhaftierung sowohl durch die Polizei als auch durch den Geheimdienst beziehen. Bevor auf der Grundlage einer solchen Zusicherung die Abschiebung erfolgt, ist dem Betroffenen außerdem Gelegenheit zu geben, hierzu Stellung zu nehmen und gegebenenfalls um Rechtsschutz nachzusuchen."

     

    Klare Worte Karlsruhes -

    Richtung Fachgerichte & Berlin/Länder! //http://www.bundesver...2bvr148717.html

     

    Denn.Genau ditte - fiel bei Leipzig nämlich auf!

    &

    Ob die vollmundigen "Absprachen"

    - wie bei Konrad Litschko zutreffend angeführt - zwischen "Ministern" diesen Anforderungen genügen - ich meine nein - ist genau die Frage & der Knackpunkt.

     

    //http://www.taz.de/!5435647/

    &

    //http://www.taz.de/Abschiebung-von-Gefaehrdern/!5477598/

     

    kurz - Daß unsere staatlichen Gefährder - wo kein Kläger kein Richter - mit allen Mitteln - die von Karlsruhe konkretisierten Verfassungs&EU-rechts

    Vorgaben opportunistisch & rechtsfeindlich-inhuman zu - Unterlaufen suchen - bis hin zu "Absprachen mit "Vetretern" von failing states nasciturus sehenden Auges!! - ist plan as plan can be

    &

    Das wird - doch doch - in

    KA argwöhnisch beobachtet.

    &

    Das ist mal sicher & letzteres gut so.

  • 4G
    42682 (Profil gelöscht)

    Welche Lösung gibt es?

  • Der rechtsstaatliche Skandal ist die Abschiebung von Personen als "Gefährder", die keine einzige Straftat begangen haben, also allein wegen ihrer Gesinnung. Ob sie Durchreisende sind oder hier geborene Ausländer, die es versäumt haben, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, ist dabei zweitrangig.

    • @Kunz:

      Aber bei Amri haben die Sicherheitsbehörden vorher "versagt"?

       

      Meine Meinung: Wer sich in unserem Land aufhält, muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit "harmlos" sein ("und was machen wir mit den Biodeutschen, wohin schieben wir die ab?" Achso, alles klar, dann machen wir eben gar nichts).

      Das Sicherheitsinteresse der hiesigen Bevölkerung muss ein höheres Gewicht haben als die Wahrscheinlichkeit, zu Unrecht abgeschoben zu werden. Es handelt sich immer noch um eine Großzügigkeit gegenüber Gästen.

      Versuchen Sie mal, in die USA einzureisen, wenn nicht alles tip-top ist. Wenn Sie in den Verdacht geraten, eine Gefahr für die nationale Sicherheit zu sein, können Sie gar nicht so schnell schauen, wie Sie wieder im Flieger zurück sitzen.

      Das ist richtig und sollte im übertragenen Sinne auch für Gefährder gelten.

  • Die Sicherheit der Bürger in Deutschland muss nach meinem Daführhalten eine höhe Priorität haben als die Gefühle eines Gefährders, egal wie "einschneidend" die Abschiebung für diese Person ist.

     

    Wenn es nach mir geht, könnte man auch blonde, blauäugie Bio-Deutsche abschieben, wenn sie als Gefährder eingestuft werden - nur wird sie uns wohl kaum ein Land dieser Welt abnehmen.

  • Bei den 'quasi inländern' stellt sich mir halt immer etwas die frage, warum sind das nur quasi-inländer.



    warum hat ein solcher keinen deutschen pass? das ist als wäre ich täglich als geduldeter gast in einem klub, bis mich irgendwann einer beim rauchen auf dem klo erwischt und ich dann rausfliege, ohne die gnade die klubmitglieder dabei hätten.







    [Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich. Die Moderation.]

    • @Glimmlampe:

      Weil vor 2000 in Deutschland geborene Menschen ausländischer Eltern, unter dem Abstammungsprinzip geboren wurden und keinen Anspruch auf die deutsche Staatsangehörigkeit hatten, weil sie als Ausländer galten und bis sie 16 wurden, ihr Aufenthaltsrecht von dem ihrer Eltern abhängig war. Die Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft, ist sogar im Optimum sehr Kosten- und zeitintensiv, an Bedingungen geknüpft, bei denen alle, die von deutschen Eltern Geborene, froh sein sollten, dass sie nichts für den Erwerb ihrer Bürgerrechte tun mussten und sie einfach so geschenkt bekommen haben. Während meine Freunde "Deutsch" im Perso stehen hatten, hatte ich neben meiner gnädigerweise unbefristeten Aufenthaltserlaubnis, den Status "Gastarbeiterkind" gestempelt. Super an Disco-Türen, BAföG- und Versichgerungs-Anträgen, Wohnung anmieten, nicht mal n Videothekenausweis kriegt man ohne Zeigen der Aufenthaltserlaubnis zusammen mit der Einwohneramtsbescheinigung, Wählen selbstverständlich verboten! Steuern wie Deutsche zahlen, selbstverständlich! Ich muss die AFD finanzieren und darf nicht mal etwas dagegen tun. Von Anfang an kommt man sich bestraft vor und weiß gar nicht, wofür. Macht auch ein super Gefühl, wahrscheinlich habe ich mich einfach nicht genug integriert. So entstand in Deutschland der Großteil der Ausländer(Zahlen), nicht von tatsächlich Zugewanderten. Aber Deutschland hat Fortschritte gemacht. Wir sind nicht mehr die Generation Gastarbeiterkinder, wir sind jetzt Migrantenhintergrund. Oder schlicht und einfach Moslems. Wie soll man da auch zwischen einem syrischen Asylanten und einem in Deutschland geborenen und sozialisierten Türken unterscheiden wollen?

  • 4G
    42494 (Profil gelöscht)

    Ihre Einschränkung, Herr Rath, kann ich nur bedingt nachvollziehen.

    Wenn man sie nicht abschieben soll, was soll denn mit ihnen geschehen?

    Einfach so laufen lassen?

    Zu den braunen Verbrechern kommen jetzt noch religiöse dazu?

  • Ja. Danke.