Kommentar Abschiebung Roma: Hausgemachte Härte
Die grün-rote Stuttgarter Koalition versucht zu verschleiern, warum Roma kurz vor Wintereinbruch zurück ins Kosovo müssen: Weil sie es so will.
W enn es ihnen in den Kram passt, präsentieren sich Innenminister gern, als seien sie nichts anderes als bessere Verwaltungsbeamte – weisungsgebunden und ohne politische Kompetenz. Die Verantwortung für Maßnahmen, die beim Koalitionspartner, bei Menschenrechtsgruppen oder anderen unpopulär sind, kann so ganz elegant ausgelagert werden: an den Bund, an die EU oder sonst wohin.
So versucht die grün-rote Stuttgarter Koalition zu verschleiern, warum Roma jetzt – kurz vor Wintereinbruch – zurück in das Kosovo mussten: Weil sie es so will.
Denn tatsächlich gibt es in Sachen Ausländerpolitik über den Landesregierungen kaum etwas. Natürlich sind sie an Bundesrecht gebunden und natürlich muss ein längerer, offizieller Abschiebestop vom Bund genehmigt werden. Trotzdem ist in Deutschland noch kein Ausländer von Bundespolizisten in ein Flugzeug geschleift worden, wenn der jeweilige Landesinnenminister dies nicht wirklich wollte.
Denn den Ländern steht ein ganzes Instrumentarium offen, um Abschiebungen zu beeinflussen. Wenn es plötzlich politisch opportun erschien, haben Innenminister schon Abgeschobene wieder zurückgeholt, obwohl sie noch einen Tag zuvor behaupteten, ihnen seien in der Angelegenheit die Hände gebunden.
Die Möglichkeiten, per Verfügungen, durch Erlasse oder informelle Anweisungen auf Ausländerbehörden und Polizei einzuwirken, sind auch im Ausländerrecht groß. In die andere Richtung – um den Druck bei Abschiebungen zu erhöhen – nutzen Innenbehörden dies weidlich aus.
Deshalb kann das einzige Grünen-geführte Bundesland sich im Fall der Roma-Abschiebungen nicht hinter Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich verstecken, auf den die grüne Parteispitze beim Thema Menschenrechte so gern mit den Finger zeigt: Die Hartherzigkeit der baden-württembergischen Abschiebepolitik ist hausgemacht.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen