piwik no script img

Kommentar Abschieben nach AfghanistanGescheiterten Einsatz kaschieren

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan verlief desaströs, die Lage im Land ist weiterhin desolat. Abschiebungen suggerieren aber ein anderes Bild.

In Kabul transportiert ein Arbeiter Essen vom Welternährungsprogramm für einen Mann im Rollstuhl Foto: ap

A usgerechnet Afghanistan. Nur wenige Länder gelten als ähnlich gefährlich, zerrüttet, instabil. Und trotzdem ist die Bundesregierung entschlossen, in Serie dorthin abzuschieben. Stets betont sie dabei, dass in den Flugzeugen nach Kabul „auch Straftäter“ sitzen, als sei deren Leben dort weniger bedroht.

Dabei setzt sie sich über Kritik von allen Seiten hinweg. Am Montag etwa lud die SPD den UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi nach Berlin ein und hängte ihm die höchste Ehrung um den Hals, die sie zu vergeben hat: den Willy-Brandt-Preis. Auf den Geehrten hören mochte man indes nicht. Am selben Abend hob ein Abschiebeflug aus Frankfurt nach Kabul ab – innerhalb von wenigen Wochen der zweite. Erst im Dezember hatte der UNHCR per Brief an die Bundesregierung nachdrücklich auf die „deutlich verschlechterte“ Sicherheitslage in Afghanistan hingewiesen.

Das Signal an die Afghanen soll sein: Ihr habt hier keine Perspektive. Genau deshalb dürfte ihnen auch seit Langem der Zugang zu den Integrationskursen verweigert werden. Der Grund für die Härte, darauf deuten Äußerungen der Bundesregierung hin, ist in der Außenpolitik zu suchen. Der vor 15 Jahren begonnene Bundeswehreinsatz in Afghanistan verlief desaströs. Er soll rund 3,6 Milliarden Euro gekostet haben, 41 deutsche Soldaten und Polizisten wurden getötet – und die Lage in Afghanistan ist heute desolater denn je. Eine schlechtere Empfehlung für weitere Kriegseinsätze gibt es kaum – es sei denn, es gelingt, das Bild des Einsatzes nachträglich zu verbessern.

Genau dazu sollen die Abschiebungen offenbar dienen: Je mehr Abschiebeflüge in Kabul landen, desto leichter kann behauptet werden, dort sei es sicher, sonst würde schließlich nicht abgeschoben werden. Mit diesem Zirkelschluss sollen die Abschiebungen das Scheitern der Bundeswehr kaschieren. Dafür bezahlen müssen die Flüchtlinge: Was in Afghanistan aus ihnen werden soll, weiß niemand.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Also die Abschiebung nur aus dem Grund, weil sie möglich ist?"

     

    Freiwillig nimmt Afghanistan Flüchtlinge nicht zurück. Die A-Regierung ist vom Geld der B-Republik abhängig. Ohne Moos...

  • Ich weiß nicht. Scheint mir mehr ein Mitnahmeeffekt zu sein, der Zirkelschluss, dass der Krieg ein Erfolg gewesen sei.

     

    Das sieht für mich nach einem Knicks vor den antizipierten Wählern der AfD bzw. dem Versuch der Profilierung aus: "Seht her! Wir schieben doch ab! Nach Afghanistan!"

     

    Was mich stutzig machte, warum eigentlich ausgerechnet Afghanistan? Könnte es sein, dass Afghanen nur deshalb dorthin abgeschoben werden, weil Afghanistan im Gegensatz zu den nordafrikanischen Ländern sich nicht weigert, Flüchtlinge wieder aufzunehmen? Also die Abschiebung nur aus dem Grund, weil sie möglich ist?

  • Leider sind eben Soldaten und Polizisten - und nicht allein in diesen Ländern - die mit der geringsten Bildung! Hinzu kommt die Macht über Leben und Tod durch die Waffen, die unsere Erwählten denen auch noch verkaufen und dazu noch die Uniform, die Menschen restlos verändert: s. UNSERE Väter in der Wehrmacht !

  • "Eine schlechtere Empfehlung für weitere Kriegseinsätze gibt es kaum – es sei denn, es gelingt, das Bild des Einsatzes nachträglich zu verbessern."

     

    Abschiebungen, um weitere "Auslandseinsätze" begründen zu können? Ein bischen weit hergeholt.

     

    Nach Afghanistan wird abgeschoben, um 20 Millionen perspektivlose Afghanen von der Flucht nach d abzuschrecken.

     

    " Dafür bezahlen müssen die Flüchtlinge: Was in Afghanistan aus ihnen werden soll, weiß niemand."

     

    Das gilt für alle Afghanen und nicht nur für die Flüchtlinge.

  • Es gibt eine Petition gegen Abschiebungen nach Afghanistan, mit prominenten Unterstützern. Falls jemand sie auch unterschreiben möchte, hier ist sie: https://www.change.org/p/bundeskanzlerin-angela-merkel-keine-abschiebungen-nach-afghanistan?

  • Diese Abschiebungen müssen wir verhindern!

     

    In mehreren Städten gab es bereits Informationsveranstaltungen, auch mit Thomas Ruttig, der auch für die taz öfters berichtete.

    In mehreren Städten soll es am 11.02. Demonstrationen geben - für das Bleiberecht der aus Afghanistan Geflohenen.

    Bei so viel Gewalt kann mensch nur von Flucht reden.

    Es gibt auch innerhalb der Clans und "Stämme", Familien Zwangsrekrutierung und erpresserische Methoden, denen sich die Jüngeren zu entziehen suchen.

     

    Die Leute mit der geringsten Bildung seien die Soldaten und Polizisten, so ein Bundeswehr-Soldat in seinem langen Vortrag.

     

    Wie gelangt Afghanistan zu einer gerechteren Gesellschaft?