Kommentar Abgeschossenes Flugzeug: Russland muss aufklären
Für Schuldzuweisungen ist es wohl nie zu früh. Dabei braucht es eine rückhaltlose und neutrale Aufklärung, für die Kiew und Moskau in der Pflicht stehen.
W er sich kurz nach dem Abschuss der malaysischen Passagiermaschine über russische Fernsehstationen, die sich in vielen Kiewer Hotels immer noch problemlos empfangen lassen, ein Bild machen wollte, dem konnte sich nur ein Schluss aufdrängen: Die Ukrainer haben das Flugzeug abgeschossen. Und wer die Stellungnahmen der ukrainischen Regierung liest, muss zu dem Schluss kommen, dass hier Russland die Verantwortung trägt.
Die Frage ist nicht, ob Russland an der Katastrophe schuld ist oder nicht. Die Frage ist, wie groß die russische Schuld ist. Am 14. Juli hatten die Aufständischen ein ukrainisches Militärflugzeug abgeschossen, in 6.000 Meter Höhe. Ende Juni hatten die Aufständischen „BUK“-Flugabwehrraketen erbeutet. Mit diesen Raketen lassen sich Flugzeuge in einer Höhe von über zehntausend Meter Höhe abschießen.
Eine Truppe verzweifelter Aufständischer und pensionierter russischer Militärs kann ohne professionelle Hilfe weder Militärjets abschießen noch BUK-Raketen einsetzen. Russland muss, wenn es nicht in den Verdacht der Mittäterschaft kommen will, alles tun, um eine unabhängige Aufklärung der Tragödie zuzulassen. Aber auch Kiew und der Westen sollten mit vorschnellen Schlüssen vorsichtig sein.
Als Erste waren Feuerwehrleute und Milizionäre der von den Aufständischen kontrollierten Gebiete an der Unglücksstelle. Nun ist es an der Zeit, internationalen Experten Zugang zu der Absturzstelle zu geben. Damit dies möglich wird, ist auf Russland Druck auszuüben, damit es diesen Zugang nicht behindert. Und Kiew sollte motiviert werden, auf den von den Aufständischen für die Dauer der Untersuchungen angebotenen Waffenstillstand einzugehen. Ansonsten werden die Spaltung des Landes und die Gewalt weiter zunehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen