christian rath über die VERWEIGERUNG VON HARTZ IV FÜR EU-BÜRGER: Immer noch ziemlich sozial
Deutschland muss arbeitssuchenden EU-Bürgern keine Hart-IV-Leistungen zahlen. Das besagt die deutsche Gesetzeslage allerdings schon seit 2007. Der Europäische Gerichtshof hat jetzt nur entschieden, dass dieses Gesetz – trotz der Diskriminierung von EU-Bürgern – nicht gegen EU-Recht verstößt.
Das Urteil passt in eine Zeit, in der Europa ratlos auf Wanderungsbewegungen bisher unbekannter Dimensionen blickt. Es war nicht zu erwarten, dass der EuGH nun auch noch allen arbeitssuchenden EU-Bürgern aus Bulgarien oder Rumänien, die nach Deutschland ziehen, einen automatischen Anspruch auf Hartz IV gibt und so wohl zusätzliche Bewegungen auslöst.
Dass die Bundesrepublik Deutschland, die derzeit einen Großteil der Flüchtlinge aufnimmt, vom EuGH geschont wird, kommt also nicht überraschend. Vor drei Jahren hätte der EuGH vermutlich noch anders entschieden. Juristisch war aber beides gut vertretbar.
Die EuGH-Entscheidung bedeutet nun zwar gewiss keine Förderung der Freizügigkeit innerhalb der EU. Sie ist aber auch keine unüberwindliche Hürde. Nach wie vor bleibt jedem EU-Bürger das Recht unbenommen, in Deutschland Arbeit zu suchen. Er hat also ein Aufenthaltsrecht, muss aber seinen Lebensunterhalt selbst finanzieren – aus Ersparnissen oder durch einen Kredit. Die Arbeitssuche wird so zur Investition.
In der Praxis gibt es allerdings durchaus noch Möglichkeiten für EU-Bürger, an Hartz IV zu kommen.Wer ein Gewerbe anmeldet oder eine stundenweise Beschäftigung übernimmt, kann mit Hartz IV „aufstocken“. Auch wer zunächst arbeitet und dann unfreiwillig arbeitslos wird, bekommt Hartz IV. An alledem ändert auch das jetzige Urteil des Europäischen Gerichtshofs nichts.
Man sollte die Konsequenzen dieses Urteils deshalb nicht zu schwarzmalen. Europa ist immer noch ziemlich sozial.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen