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Kommentar AKW-AbschaltungGeschäftliche Logik

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Vattenfall dreht die Zeit zurück und schaltet Ringhals ab. Endlich. Ohne Subventionen seitens der schwedischen Regierung wäre das nicht passiert.

Eine schöne Ruine. Bild: ap

E s ist noch keine zwei Jahre her, da präsentierte Vattenfall ein milliardenschweres Investitionsprogramm, mit dem es die Laufzeit seiner sieben schwedischen Atomreaktoren von 50 auf 60 oder vielleicht sogar auf 70 oder 80 Jahre verlängern wollte. Und es ist keine drei Jahre her, als der Konzern offenbar völlig unbeeindruckt davon, was sich Monate vorher in Fukushima ereignet hatte, formal einen AKW-Neubauantrag stellte.

Mittlerweile alles Schnee von gestern. Von den Neubauplänen verabschiedete man sich schon Anfang des Jahres. Und jetzt siegte kaufmännische Vernunft auch beim Pensionsalter. Ist es zwar eigentlich sowieso unverantwortlich, die ursprünglich auf eine Lebensdauer von 25 Jahren konzipierten Anlagen immer noch am Netz zu haben, sollen die ältesten Reaktoren nun zumindest mit einer Betriebszeit von spätestens 45 Jahren abgeschaltet werden.

Zwar haben auch die gesunkenen Strompreise zu diesen Beschlüssen beigetragen. Vorwiegend aber waren politische Entscheidungen verantwortlich. So wurde die ungenügende Atomstrom-Abgabe, mit der ein Endmülllager und der Abriss der Reaktoren finanziert werden soll, verdoppelt, damit künftige SteuerzahlerInnen zumindest auf nicht allzu riesigen Lasten für die Hinterlassenschaften dieser riskablen Energieproduktion sitzen bleiben werden – sie werden noch immer groß genug sein.

Und eine um ein Sechstel erhöhte „Effektsteuer“ entfaltete schneller als erwartet genau die Wirkung, die sich die schwedischen Grünen von ihr erhofft haben. Die besteuert unabhängig von der faktischen nämlich die theoretische Produktionskapazität und lässt damit störanfällige, häufig stillstehende und deshalb für die Versorgungssicherheit speziell problematische Anlagen besonders teuer produzieren.

Den Atomstrom etwas mehr von seinen gesamtgesellschaftlichen Kosten tragen lassen, dazu eigentlich selbstverständliche Sicherheitsauflagen, zu denen Stockholm nach dem EU-„Stresstest“ von 2012 gezwungen wurde – und schon wird Realität, was die Anti-AKW-Bewegung schon immer wusste: Ohne umfassende öffentliche Subventionen gehen in den Reaktoren die Lichter aus. Sonst nirgends.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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