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"Konkret heißt das zum Beispiel: Unterstützung für die kommunalen Verwaltungen, die von der Opposition regiert werden, von der kemalistisch-sozialdemokratischen CHP, der prokurdischen BDP oder gar der nationalistischen MHP."
Solche Eingriffe von außen werden doch in einem nationalistischen und von Verschwörungstheorien gesättigten Land wie der Türkei nur wieder als Beleg für auswärtige Verschwörungen, die die Türkei zerstückeln wollen, gedeutet und liefern Erdogan gutes Propagandamaterial.
Im Übrigen schreibt Yücel natürlich viel Wahres, aber dass an der islamistischen Wende in der Türkei dann wieder vorrangig böse Abendländer mit "Ressentiment" schuld sein sollen, na ja...das ist dann doch wieder die typische taz-Wahrnehmung.
Die Türkei ist per se eine Pseudo-Demokratie und das politische Muster hinter der Nationalversammlung und den Parteien ist autoritär, deswegen fällt die AKP da auch nicht aus dem Rahmen.
Lieb waren sie, solange sie bangen mussten, dass die Generäle sie einfach zur Seite schieben und die Demokratie abschaffen.
Deutschland macht überhaupt nichts und die Regierung hier ist nicht mal bereit, einen leisen Ton zu den Wahlen abzugeben. In Wirklichkeit ist diese Pseudo-Demokratie Türkei längst kein EU-Beitrittskandidat mehr und das freut die CDU und die europäische Rechte, weil sie dieses Land sowieso nicht haben wollen. Umgekehrt kann Erdogan machen, was er will. Er hat keine echten Gegner und trifft nur auf Widersacher im kurdischen Gebiet.
Dort hat er - schlauerweise - nicht auf Gewalt und Militär gesetzt. Zwar verspricht er dort drastisch mehr, als er am Ende hält, aber die Leute dort sind nicht gegen ihn. Das gibt ihm den Schub Autorität, der ihn zum autoritären Premierminister macht. Aber in welchem Land schießen Polizisten auf die Köpfe von Menschen mit Gaspatronen? Wo ist eine normale Demonstration für die Regierenden so ein Problem, wie letztes Jahr im Gezi-Park? Wo wird die Presse so stranguliert, wie in der Türkei?
Dieses Land nimmt Kurs auf Nord-Korea, Russland, Iran - autoritäre, repressive Hinterwälderstaaten ohne Fortschritt, Zukunft und immer im Konflikt mit den intelligenten jungen Menschen, die eigentlich dringend benötigt werden. Dazu dann keine Reaktion aus Berlin, Brüssel, London oder Paris. Schweigen sagt viel, fällt mir dazu nur ein.
Ich bin ja - wie meist - großteils mit dem einverstanden, was Sie schreiben, Herr Yücel. Aber dass Sie zumindest mittelbar auch die Rechtsaußen-Ultranationalisten der MHP unterstützt sehen wollen (wer es nicht weiß: deren Jugendorganisation sind die Bozkurtlar, die Grauen Wölfe), hat mich denn doch sehr, sehr überrascht, wenn nicht gar schockiert.
Herr Yücel,
Ihr Hass gegen die AKP und Erdogan verblindet sie. Sie unterbreiten hier unwahre Geschichten, als ob sie die Realität wäre.
Mit Ihren unwahren Darstellungen und Ihrem Hass gehören Sie auch zur der neuen faschistischen Front in der Türkei.
Ich bin mal gespannt, ob die taz-Redakteuren ihre "links-faschistischen" Haltung in jeder Hinsicht weiter durchführen werden. Diese Haltung in den Artikeln Ihrer Redakteuren in jeder Weltpolitik zu sehen: Ukraine, Krim, Türkei, usw. sind neueste Beispiele.
Überprüfen Sie mal Ihren Faschismusbegriff. Ist hilfreich für jemanden, dessen/deren Kommentare für voll genommen werden möchten.
Sonst ergeht es einem/r wie der DDR-Propaganda der 50er/60er, wo der Faschismusbegriff so bizarr-alltäglich war, dass ohnehin niemand mehr zugehört hat ("faschistische Wühlarbeit", "faschistische Bonner Clique", "Antifaschistischer Schutzwall").
Solange die Mehrheit die AKP wählt, sind Gesellschaft und AKP-Staat eins. Nur wenn das Volk leidet, wird es seine Wahlentscheidung überdenken.
Gleich ächten also. Herr Yücel, der Meister der Superlativen und Selfies.
@Tim Die EU und USA werden das nicht tun lieber Deniz.Sondern mit Erdogan und seiner Sippe die Geschäftsbeziehung fortführen.Das nennt man "Realpolitik".Schade,dass das türkische Volk so gewählt hat.Habe bisschen Angst vorm Volk generell.
Über die Evangelische Kirche ist viel Gutes zu sagen. Doch bei Lichte betrachtet gibt es für ihre Alltagsmacht keine Begründung mehr.
Kommentar AKP-Herrschaft in der Türkei: Ohne Nachtisch ins Bett
Der Westen muss seine Beziehungen zur Türkei neu ordnen. Doch zu ächten ist der AKP-Staat, nicht die türkische Gesellschaft.
Ankara in der Wahlnacht: Die Polizei marschiert vor einem Wahllokal auf, wo Bürger die Stimmenauszählung überwachen wollen. Bild: reuters
Die AKP hat am Sonntag nicht allein durch Lug und Trug die Kommunalwahl in der Türkei gewonnen. Ja, ein Teil ihrer Wählerschaft hat nie die kompromittierenden Tonbandaufzeichnungen gehört und kennt die Gezi-Demonstrationen nur aus der hassverzerrten Darstellung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan und seiner Verlautbarungsorgane.
Doch nicht alle AKP-Wähler sind desinformiert. So unterliefen in den vergangenen Wochen auch Erdoğan-Fans die Internetzensur und hießen auf Twitter die Sperre von Twitter gut. Diese Leute haben entweder materielle Interessen – acht Millionen Mitglieder soll die Partei haben, von denen sich viele schon deshalb nicht über Erdoğans Raubzüge aufregen, weil sie selbst, je nach Rang, ein sattes oder winziges Stück der Beute namens Staat einstreichen.
Oder sie fühlen sich von der alten Elite nicht repräsentiert, verachten den säkularen Lebensstil, finden Straßbenbau wichtiger als Demokratie oder teilen Erdoğans Ideologie aus Islamismus, Nationalismus und Wirtschaftsliberalismus, womöglich auch ein bisschen von der soziopsychologischen Disposition aus Größen- und Verfolgungswahn, die den Ministerpräsidenten auszeichnet.
Im Großen und Ganzen hat die AKP auf dieser Grundlage die Wahl gewonnen – und dort, wo es sonst nicht gereicht hätte, allen voran in Ankara, offenbar nachgeholfen. Zuzutrauen ist das dieser Regierung allemal. Wären kurz vor der Wahl nicht die – illegalerweise abgehörten – Planspiele veröffentlicht worden, die Regierung Erdoğan hätte womöglich aus wahltaktischen Gründen unter einem inszenierten Vorwand Syrien angegriffen und en passant alle Nato-Staaten in den Kriegszustand versetzt.
Darauf muss die westliche Welt reagieren. Sie muss ihre Beziehungen zu einem Land neu regeln, das von einer Clique regiert wird, die für den eigenen Machterhalt zu allem bereit ist: von der Anzettelung eines Kriegs über die Manipulation von Wahlen, von der Unterwerfung der Justiz bis zur exzessiven Polizeigewalt.
Ein Land, das in Sachen Meinungsfreiheit in einer Liga mit Iran, China und Russland spielt und es in Sachen Korruption mit jeder Bananenrepublik aufnehmen kann, gehört auch so behandelt. Das heißt: Man muss, wie Boris Kálnoky neulich in der Welt schrieb, die AKP-Führung um Erdoğan und seine persönliche Entourage ächten. Man muss ihnen Einreiseverbote erteilen. Ihre Konten im Ausland sperren. Geschäfte mit ihnen meiden. Sie ohne Nachtisch ins Bett schicken.
Sicherheitsrisiko Erdoğan
Die Türkei steuert unter Erdoğan auf eine Diktatur zu. Und sie ist ein Sicherheitsrisiko – zuvörderst für die eigenen Bürger, aber auch für die Nato-Länder. Und natürlich ist es an der Zeit, die Beziehungen zur EU zu suspendieren. Es wäre der Moment, an dem, sagen wir, Claudia Roth oder Gregor Gysi diese Forderung erheben könnte anstatt sie der CSU zu überlassen. Bei einem wie CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer ist es bloß das alte Ressentiment, das sich in neue Argumente kleidet.
Aber zu ächten ist der AKP-Staat, nicht die türkische Gesellschaft. Nicht all die Menschen, die in der Wahlnacht die Stimmauszählung überwacht haben, immer noch für eine korrekte Stimmauszählung kämpfen und das repräsentieren, was Europa gern wäre. Ihnen muss man beistehen.
Konkret heißt das zum Beispiel: Unterstützung für die kommunalen Verwaltungen, die von der Opposition regiert werden, von der kemalistisch-sozialdemokratischen CHP, der prokurdischen BDP oder gar der nationalistischen MHP. Die CHP-Regierung der säkularen Metropole Izmir etwa bekommt nur wenig Unterstützung vom Zentralstaat, weshalb in Izmir kaum noch jemand investiert. Dort kann Europa etwas tun.
Denn das Merkel-Europa hat zur autoritären Wende in der Türkei beigetragen. Vor zehn Jahren, zu Beginn der AKP-Herrschaft, war die türkische Gesellschaft nicht in der derselben Weise polarisiert wie heute. Damals gab es ein Unterfangen, das jenseits aller sonstigen Differenzen, fast sämtliche Milieus einte: die Mitgliedschaft in der EU. Daran glaubt schon lange niemand mehr. Und die Abweisung der Türken fand nicht nur an Verhandlungstischen in Brüssel statt; jeder türkische Bürger, der sich einmal um ein Touristenvisum für ein beliebiges EU-Land bemüht hat, kennt sie aus eigener Erfahrung.
Visa könnten bald wieder zum Thema werden. „Bloß raus aus diesem Scheißland“, war nach der Wahl die erste Reaktion vieler jüngerer Gegner der AKP. Falls Erdoğan nun – oder nach einem Erfolg bei der Parlamentswahl im kommenden Jahr – wie angekündigt zum Rachefeldzug ausholt, könnten viele tatsächlich das Land verlassen wollen, in manchen Fällen gar müssen. Einreiseerleichterungen für diese Menschen entsprächen Einreiseverboten für die anderen. Verachtenswert ist nicht die Türkei, verachtenswert ist die Bande, die sich ihrer bemächtigt hat.
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Schwerpunkt Türkei
Kommentar von
Deniz Yücel
Kolumnist (ehem.)
Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.
Themen
kirchentaz 2023 – Talk mit Petra Bahr
Frieden um jeden Preis?
Pazifismus oder was? Wie bewerten Christ:innen den Krieg Russlands gegen die Ukraine?
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