Kommentar 40 Jahre Mullah-Regime: Der Irrtum der iranischen Linken
40 Jahre nach Chomeinis Machtübernahme ist der Lack des islamistischen Regimes ab. Wenn die Generation von 1979 ausstirbt, brechen viele Konflikte auf.
A uch 40 Jahre nach der Machtübernahme der Islamisten im Iran beschäftigen diese die Weltöffentlichkeit. Im vergangenen Sommer versuchten Agenten des Regimes, eine Veranstaltung der iranischen Exilopposition in Paris anzugreifen. Drahtzieher war ein Botschaftsrat Irans in Wien. Und in Syrien oder Jemen sind Irans „Revolutionsgarden“, die Pasdaran, militärisch offen und entscheidend tätig. Die Mullahs fördern im ganzen Nahen Osten den religiös-fundamentalistischen Extremismus, etwa die palästinensische Hamas oder die libanesische Hisbollah.
In Iran selbst sind die sich selbst ernennenden Abgesandten Gottes auf Erden mehr gefürchtet als geliebt. Vier Jahrzehnte nachdem der damals 77-jährige Ajatollah Ruhollah Chomeini mit seiner Rückkehr in den Iran am 1. Februar 1979 die Macht an sich riss, ist der Lack des islamistischen Regimes ab.
Der heutige Iran besteht aus Parallelwelten, wo im Geheimen, im Privaten so ziemlich alles betrieben wird, was im Sinne der Theokratie auf keinen Fall betrieben werden dürfte: Sex, Drogen, Internet. Dazu ist die Ökonomie des an und für sich reichen Landes dauerhaft im Keller. Während die Konten von Mullahs und Pasdaran-Generälen prall gefüllt sind, geht es der breiten Öffentlichkeit schlecht. Immer wieder kommt es zu sozialen Protesten, die das Regime gewaltsam niederschlagen lässt – und mit religiös-nationalistischen Phrasen zu ersticken sucht. Die Rhetorik der Mullahs spult sich verlässlich an USA, Weltkapital und Israel auf.
Die agitatorische Verbindung national-religiöser Behauptungen mit sozialen Fragen ist seit Ajatollah Chomeini bestimmendes Element iranischer Politik. Er wetterte gegen die Reformen des Schahs, als der in den 1960er Jahren das Land modernisieren wollte. Chomeini war die Gleichberechtigung der Frauen ebenso ein Dorn im Auge wie die Landreformen, mit denen der Schah die Macht des Großgrundbesitzes einschränken wollte. Es war der große Irrglaube der iranischen Linken, mit diesem Demagogen und Menschenhasser ein Bündnis eingehen und diesen gar lenken zu können. Der islamistische Extremismus duldet keine Macht neben sich.
Beerbt wurde Chomeini nach seinem Tode 1989 von seinem Kampfgefährten Ali Chamenei. Legendär die Worte des heute obersten Führers Irans, mit denen er 1982 den Krieg mit dem Nachbarland Irak begrüßte: „Der Segen des Krieges ist für uns unvorstellbar groß.“ Tatsächlich konnten die Mullahs im Schatten der religiös-nationalistischen Mobilisierung ihre Terrorherrschaft erst durchsetzen.
Schon 1979 war der gemäßigte Flügel der schiitischen Geistlichkeit mit der Entwicklung zum religiösen Totalitarismus nicht einverstanden. Er strebt auch heute – wie die Kräfte aus der organisierten Zivilgesellschaft und der im Untergrund tätigen politischen Opposition – eine laizistische Staatsordnung an.
Spannend ist die Frage, wer den 1939 geborenen Chamenei als Führer der Diktatur beerben wird. Das Regime verausgabt sich derzeit mit seinen kostspieligen militärischen Abenteuern in Syrien und im Jemen. Die Führer der Pasdaran benehmen sich wie Anführer eines Staats im Staat. Beim Ableben der alten Revolutionsgeneration von 1979 dürften all die Konflikte zutage treten, die unter der Oberfläche die iranische Gesellschaft heute prägen. Der neuen Generation von Pasdaran und Hardliner-Mullahs dürfte die Autorität der Alten fehlen, um weiterhin der Bevölkerung ihren Willen aufzuzwingen. Allein mit Waffengewalt, das zeigte schon der Sturz des Schahs im Januar 1979, lässt sich nicht dauerhaft regieren.
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