Kommentar 31. Journalistentag von Verdi: Nicht verhältnismäßig
Die meisten Referent*innen beim Journalistentag 2018 zum Thema „Pressefreiheit“ sind männlich. Und das passiert nicht zum ersten Mal.
D ie wirklich wichtigen Themen dieser Welt sollten doch besser die Männer erklären. Der Eindruck entsteht zumindest beim Blick in das Programm des 31. Journalistentags im Januar 2018, ausgerichtet von Verdi. Es geht um Pressefreiheit. „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Schrift, Wort und Bild frei zu äußern und zu verbreiten“, zitiert die Broschüre den Artikel 5 des Grundgesetzes. Laut Programm werden am 20. Januar von diesem Recht aber vor allem Männer Gebrauch machen – und das nicht zum ersten Mal.
Geht man nach den namentlich genannten Referent*innen, so diskutieren auf den zahlreichen Podien der Veranstaltung dreizehn Männer mit drei Frauen und einer Moderatorin. Das ist eine Quote von 23,5 Prozent – wenn man die Moderation mit zählt. Ohne sie landet man bei knappen 19 Prozent.
Nun hat eine Journalistin wie Tina Groll als Moderatorin auf dem diesjährigen Journalistentag sicher mindestens ebenso viel Qualifikation wie ihre Podiumsgäste. Dennoch ist auffällig, dass die Veranstaltung in den vergangenen Jahren immer wieder durch ein enormes Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen auf den Podien auffiel, die Moderation aber so gut wie immer in weiblicher Hand lag.
Im Jahr 2017 diskutierten laut Programm neun Männer mit drei Frauen, eine Quote von 25 Prozent also. 2016 führte eine Frau durch den Tag mit elf Männern und zwei Frauen – mit Moderatorin eine Quote von 21 Prozent. 2014 wies das Programm neun Männer und gerade mal eine Frau vor – eine lausige Quote von 10 Prozent also. Ähnlich sah das 2013 aus, wie die Dokumentation des Tages auf der Webseite des Journalistentags zeigt: Sieben Männer diskutierten mit einer Frau. Über die Moderation finden sich für diese beiden Jahre keine Informationen.
Repräsentativ, aber schlimm
„Jedes Mal hat eine Frau moderiert? Toll, 100 Prozent Frauenquote, das ist doch ein Traum“, sagt Manon Priebe, Vorstandsmitglied von Pro Quote. Der Verein hat das Ziel, die Repräsentation von Frauen in den Redaktionen zu verbessern. „Im Ernst“, sagt Priebe: „Das Podium spiegelt leider den Ist-Zustand in den Chefredaktionen wieder. Es ist also repräsentativ – und damit doppelt so schlimm.“ Nun müsse man sich fragen, woran das liegt. Die DJU nenne sich „Journalistinnen- und Journalisten-Union“ – bezeichnenderweise heiße die jährliche Veranstaltung schlicht „Journalistentag“, bemerkt Priebe.
„Wir sind uns bewusst, dass das Verhältnis nicht besonders günstig ist“, sagt Cornelia Haß, Bundesgeschäftsführerin der DJU. „Es ist unser aller erklärtes Ziel, ein gutes Verhältnis auf dem Podium herzustellen und dafür auch Alternativen zu prüfen. Dieses Jahr ist das nicht optimal gelaufen“. Nun seien dieses Jahr die vom Akkreditierungsentzug beim G20-Gipfel in Hamburg betroffenen Fotografen alles Männer. Eine Frau, auf die sie sich gefreut hätten, hätte spät noch abgesagt. Zudem seien in den vergangenen Jahren oft noch Frauen später dazugekommen, so dass das Verhältnis auf der Veranstaltung besser gewesen sei als im Programm. „Wir treten jedes Jahr in der Hoffnung an, ein ausgeglichenes Podium zusammenstellen zu können“, sagt Haß. „Niemand bei uns sagt, dass die Situation so, wie sie ist, gut ist.“
Doch es geht auch anders. Dass Frauen als Referentinnen nicht bloß Gegenstand guter Hoffnungen sein müssen, hat in diesem Jahr der Reporter-Workshop gezeigt. Zu der zweitägigen Veranstaltung in Hamburg, bei der Journalist*innen zusammenkommen, um über ihre Branche zu diskutieren, waren in diesem Mai als Dozent*innen 30 Männer geladen – und 38 Frauen.
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