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KolumneDie Tafel reicht oft aus

Wortmeldung

von Arne Ulbricht

Zu den bildungspolitischen Dauerbrennern wie der Post-Pisa-Debatte hat sich ein weiteres Thema gesellt, das momentan heftig diskutiert wird: die Digitalisierung der Schulen! Unabhängig davon, wie die Diskussionen verlaufen sind und verlaufen werden, wird sich am grundsätzlichen Trend hin zur digitalen Schule nichts ändern. Es werden mehr Laptops und iPads angeschafft werden, es wird vermehrt Klassen geben, die ausschließlich mithilfe mobiler Endgeräte lernen werden. Auch die Tafeln im Klassenzimmer werden vermutlich der Digitalisierung zum Opfer fallen und nach und nach durch digitale Whiteboards ersetzt werden. Das wäre falsch, wenn nicht gar fatal.

Denn das analoge Unterrichten hat Vorzüge, die zu leugnen genauso unsinnig wäre, wie es albern wäre, die Digitalisierung rückgängig machen zu wollen. Denn natürlich müssen Schüler im 21. Jahrhundert wissen, wie man im Internet sinnvoll recherchiert. Wie man den eigenen Rechner so nutzt, dass er auch zum Arbeiten und nicht nur zum Spielen gewinnbringend einsetzbar ist. Und natürlich liegen die Vorzüge der digitalen Whiteboards auf der Hand: Tafelbilder können abgespeichert werden; wenn man alle Tools beherrscht, lässt sich viel exakter arbeiten; die unleserliche Schrift kann man in lesbare Schrift verwandeln; man kann das Whiteboard wie einen Monitor benutzen und das Internet direkt in den Unterricht integrieren.

Neben einem digitalen White­board wirkt eine klassische Schiefertafel recht altertümlich. Als repräsentiere sie eine Zeit, in der Schüler noch geschlagen wurden und ausschließlich frontal unterrichtet wurden. Dabei wird vergessen, dass die klassische Tafel für die meisten Unterrichtseinheiten vollkommen ausreicht und oft praktischer ist als das Whiteboard. Tafelbilder müssen abgeschrieben werden (sie abzufotografieren, wie es derzeit in Mode kommt, sollte man verbieten!), weil sie nicht auf synchronisierten Schülerlaptops abgespeichert werden können. Das Abschreiben führt dazu, dass sich Schüler den Stoff besser einprägen.

Mit Tafeln kann man wunderbar binnendifferenziert arbeiten. Schüler, die zu früh fertig sind, können die Ergebnisse bereits verdeckt anschreiben – die meisten Tafeln lassen sich aufklappen. Das geht am White­board nicht. Tabellen können von vielen Schülern gleichzeitig ausgefüllt werden. Das führt oft zu pädagogisch wertvollem Chaos, weil die Schüler in Bewegung sind, und das Vergleichen bringt wegen der unterschiedlichen Schülerbeiträge besonders viel Spaß. Auch das geht nicht am Whiteboard, denn man kann nicht gleichzeitig mit mehreren Whiteboardstiften schreiben.

Besonders unpraktisch ist das Whiteboard, wenn man nur die Hausaufgaben anschreiben möchte

Das Whiteboard frisst zudem Zeit: Am Anfang der Stunde muss man es hochfahren und sich anmelden. Das dauert einige Minuten. Besonders unpraktisch ist das Whiteboard, wenn man am Ende der Stunde nur kurz die Hausaufgaben anschreiben möchte. Denn auch dafür muss man es extra hochfahren und anschließend wieder runterfahren.

Last but not least: Tafelbilder sehen oft wie Kunstwerke aus, weil man die eigene Schrift eben nicht in lesbare Einheitsschrift verwandeln kann. So bleiben Tafelbilder individuell, und weil der Lehrer sie nicht abspeichern kann, ist er gezwungen, sich immer wieder neu zu erfinden.

Nicht alles, was digital und neu ist, ist immer gut. Nicht alles, was analog und alt ist, ist immer schlecht. Man muss einen Mittelweg finden. Ein solcher könnte sein, bis 2018 ein Fünftel aller Klassenräume an weiterführenden Schulen bundesweit mit digitalen Whiteboards auszustatten und in allen anderen Räumen die Tafeln stehen zu lassen. Dann könnten die Lehrer mit dem Whiteboard arbeiten, die es unbedingt wollen.

Arne Ulbricht, 43, Lehrer für Französisch und Geschichte an einem Berufskolleg in Nordrhein-Westfalen und Buchautor. Sein aktuelles Buch „Schule ohne Lehrer“ erschien Januar 2015.

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