Kolumne die Kriegsreporterin: „Klappe jetzt!“
Alleserklärenkönner, Lautsprecher, Riesenverlust: Steffen Grimberg verlässt die taz. Er wird sehr fehlen.
H allo, taz-Medienredaktion!
Ein paar Monate ist es her, da schlenderte ich so nichtsnutzig, wie es nur eine freie Journalistin ohne Pflichtbewusstsein tun kann, in Berlin durch die Mitte. In der Kastanienallee hatte jemand eine Kiste vor seine Wohnung gestellt, in der Dinge lagen, die, wie die Beschriftung sagte, darauf warteten, bei einer neuen Person Gutes zu tun.
Darin ein Buch, das wie für mich geschrieben schien: „Medienberufe – erfolgreich studieren“. Dieses Buch will mich darüber informieren, wie die Zukunftsaussichten sind und die Bedingungen. Das Beste aber ist, und das ist der Grund, warum ich es jubelnd an mein Herz drückte: Geschrieben hat es Steffen Grimberg.
„Da, wo meine blaue Teekanne steht, da arbeite ich“, sagt Steffen. Seit wie viel Jahren ist seine Kanne in der ehemaligen Kochstraße heimisch? Keine Ahnung.
Mit dem heutigen Mittwoch wird Steffen diese Kanne nehmen und nach Hause tragen. Keine Kanne, kein Steffen mehr in der taz. Das ist für mich schlimmer, als wenn die taz kein „T“ mehr drucken würde. Denn mehr als Steffen taz ist, ist die taz für mich Steffen. Ich habe keine Ahnung, ob er schon da war, als ich vor 16 Jahren dort zu schreiben begann, aber irgendwann war er da, und wenn es doch die ein oder andere Person dort gibt, die ich mag, so mag ich doch niemanden so sehr wie Steffen.
Nicht nur, weil er unglaublich lustig ist und einen so feinen blöden Witz hat. Sondern auch, weil ich ihn immer die dämlichsten Sachen fragen konnte, ohne dass er mir je das Gefühl gab, dämlich zu sein. Ihn konnte ich anrufen und fragen: „Wie funktioniert die KEK?“ oder „Was macht eigentlich ein Rundfunkrat?“ Lauter Zeug, für das man sich nur interessiert, wenn man nicht umhinkommt. Nach einer halben Stunde wusste ich, was der Rundfunkrat macht – und obendrein hatte ich erfahren, wie die BBC strukturiert ist und weshalb 1967 die mittlerweile legendäre dänische Doku „Komposk“ nicht ausgestrahlt wurde, von der ich noch nie gehört hatte.
Ein „Nö, mach ich nicht!“ gibt es bei Steffen nicht. Im Gegenteil – jede Bitte darum, ein kleines bisschen von seinem Wissen preiszugeben, ist für ihn Anlass, seine Schatztruhe zu öffnen. Und wenn man dann irgendwann sagt: „Ist gut jetzt, Steffen, das führt zu weit“, weil man ja auch noch mal arbeiten muss, dann ist das so in Ordnung, wie es in Ordnung ist, gefragt zu haben.
Ich weiß, dass manche tazler genervt sind, weil er immer so laut telefoniert – und eben auch so viel redet. Vielleicht habe ich es da leichter, weil ich nie in einem Büro mit ihm saß, sondern immer in Hamburg. Aber zeigt mir mal den Menschen, dem man sagen kann: „Klappe jetzt!“ und der einem das nie übel nimmt!
Ich weiß nicht genau, was Steffen jetzt tun wird, ob er, wie es heißt, weiter frei für die taz arbeiten wird oder ob er etwas Vergangenes vergangen sein lassen kann. Für die Medienseite ist sein Fortgehen ein Riesenverlust – gegen seine Kenntnis der Medienszene, sein profundes Wissen und die Fähigkeit, im Notfall in 30 Minuten 120 unterhaltsame Zeilen über das beknackteste medienpolitische Thema zu schreiben, sind wir übrigen Medienautoren blasse Schreiberlinge. Mir wird er auf jeden Fall fehlen, fehlen, fehlen. Denn eine taz ohne Steffen Grimberg ist keine taz, sondern ehrlich gesagt etwas, das ich mir nicht vorstellen kann.
Keine Ahnung, was Steffen sich jetzt vorstellt. Vielleicht schreibt er ein Buch, das mir irgendwann in die Hände fällt: „Medienberufe – erfolgreich eine Lebensphase beenden“. Bis dahin gebe ich traurig zurück nach Berlin!
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